Kleve Joos-Bild der Vergänglichkeit entrissen

Kleve · Das Bild "Hieronymus im Gehäuse" aus dem Jahr 1510 von der Schule um Joos van Cleve wurde restauriert und bekommt Ehrenplatz.

 Prof. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär Kulturstiftung der Länder, restauratorin Marita Schlüter, Prof. Harald Kunde und Valentina Vlasic.

Prof. Frank Druffner, stellvertretender Generalsekretär Kulturstiftung der Länder, restauratorin Marita Schlüter, Prof. Harald Kunde und Valentina Vlasic.

Foto: eve

"Väterchen Zeit" hieß das Tafelbild, das der damalige Klever Museumsdirektor Guido de Werd auf einer Auktion entdeckte. Es zeigte einen alten Mann, dessen Bildnis vom Zahn der Zeit stark mitgenommen war: Die Holztafel war von Insekten angefressen und im Laufe der Jahrhunderte verzogen, die Farboberfläche abgesplittert. Es war mehrmals stümperhaft übermalt, der Firniss dunkel und vergilbt, die Ränder beschnitten.

 Hieronymus im Gehäus, Schule des Joos van Cleve, um 1510.

Hieronymus im Gehäus, Schule des Joos van Cleve, um 1510.

Foto: Museum

Doch de Werd erkannte den wahren Schatz. Hier verbarg sich eine Schule, ein Künstler vielleicht, den das Klever Museum dringend haben musste, wollte es seine Mittelalter-Sammlung aufwerten: Joos van Cleve. Es war eine seiner Versionen vom "Hl. Hieronymus im Gehäuse". Der Freundeskreis war zur Stelle und half beim Kauf.

Es war eine gute Wahl: Joos van Cleve gehörte zu Lebzeiten zu den renommiertsten Malern Europas. Vor wenigen Jahren wurde er in einer Aachener Ausstellung als Leonardo des Nordens gefeiert. Die Schau im Suermondt-Ludwig-Museum hatte Schätze aus der ganzen Welt zusammen getragen und so einen wunderbaren Überblick über die Welt des späten Mittelalters aus dem Blick des Malers mit dem Klever Namen gezeichnet. Mit der Neuerwerbung hatte auch das Kurhaus ein Bild von Joos van Cleve oder seinem Umfeld. Nur: Zeigen konnte man es nicht, wie de Werds Nachfolger Prof. Harald Kunde feststellen musste, als er für die Neukonzeption diesen Schatz heben und endlich ans Licht der Öffentlichkeit bringen wollte. "Das Bild war ein Desaster", sagt Kunde. Jetzt leuchtet es wieder, der Insektenfraß ist behoben, die abgeblätterte Farbe gesichert, der Firniss erneuert, Kleves Museums-Schreiner Wilhelm Dückerhoff fertigte ihm einen meisterhaften Rahmen nach historischem Vorbild. Das Bild ist ein Schmuckstück, das bald einen Ehrenplatz in der Sammlung bekommen soll.

Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Fast ein Jahr lang war der "Hieronymus" aus Kleve bei Restauratorin Marita Schlüter in Everswinkel in Kur. Das Bildnis gemahnt, über sich und seine Taten zu reflektieren angesichts des in vielen Symbolen vergehenden Lebens (die abbrennende Kerze, der Totenschädel, die Uhrzeit). Schlüter schlug der Symbolik ein Schnippchen: Sie entriss das Bild der Vergänglichkeit, die es bereits fest im Griff hatte und lässt es aussehen, als habe die Schule um Joos van Cleve gerade erst die Farbe angerührt. Die Restauratorin arbeitete heraus, dass die Farbe des leuchtend roten Mantels in diversen lasierenden Farbschichten aufgetragen wurde, was die Tiefe des Stoffes ebenso betont, wie die Kraft der Farbe. Doch zuvor musste das Kunstwerk gesichert werden. "Zum Glück hatten die Insekten, die das Bild angefressen hatten, das Holz schon wieder verlassen", sagt Schlüter und lächelt. Dann mussten die Farbschuppen, die sich ablösten, aufgefangen und mit einem neuen Kleber fixiert werden. Leim injizierte Schlüter auch in die Altersrisse, um die Farbschicht weiter zu festigen. Die beschädigten Stellen wurden gesäubert und gespachtelt, der vergilbte Firniss und die Übermalungen entfernt. Dabei kam auch das Fenster links im Gehäuse zum Vorschein. Die verlorene Farbe über den vor allem im linken Bildteil schwer beschädigten Teilen des Werkes musste Schlüter neu übermalen. "Unser Ziel ist dabei immer, das Bild ausstellungsfähig zu machen - wir wollen es ja nicht neu erfinden. Deshalb müssen alle Maßnahmen reversibel sein", sagt die Restauratorin. Ein späterer Restaurator soll also das, was Schlüter gemacht hat, wieder rückgängig machen können, ohne das Werk zu beschädigen. Deshalb wird jeder Schritt, den die Restauratorin in den 80 Arbeitsstunden gemacht hat und dabei zu Skalpell und Lösungsmittel greift, dokumentiert.

Ein Profi erkenne sofort, wo nachgebessert sei, weil sie bewusst die Strichführung des Pinsels im Vergleich zum Original geändert habe, sagt sie. Außerdem griff sie zu Aquarellfarbe, um die Schäden auszubessern. Der Firniss, den sie zum Schluss wieder über das Bild zieht, schützt die Aquarellfarbe. Für den Museumsbesucher präsentiert sich der Hieronymus aus der Schule des Joos van Cleve damit wie neu.

(RP)
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