Kreis Kleve Immer weiter

Kreis Kleve · Barbara Hendricks soll Umweltministerin bleiben, heißt es übereinstimmend aus Koalitionskreisen. Damit hätte sie knapp vier Jahre Zeit, ihren größten Erfolg zu verteidigen: das Pariser Klimaabkommen.

Kreis Kleve: Immer weiter
Foto: Anne Orthen

Bei ihm waren sich alle Beobachter in Berlin einig: Sigmar Gabriel machte überhaupt keine Anstalten, als Außenminister auf Abschiedstournee zu gehen. Die für ihn hervorragenden Umfragewerte schienen ihm recht zu geben. Aber: Manchmal ist Politik eben auch für Überraschungen gut. Für Gabriel ist am neuen Koalitionstisch, der aus Verhandlungskreisen übereinstimmend durchsickert, offenbar kein Stuhl mehr frei. Dafür setzt eine andere Sozialdemokratin an, munter durchzuregieren. Und die kommt aus Kleve: Allem Anschein nach bleibt Barbara Hendricks (SPD) auch im vierten Kabinett Merkel Umweltministerin.

Die 65-Jährige selbst gibt sich dabei noch bescheiden. Den Versuch einer Gratulation zum Ministeramt quittiert sie mit einem "Wieso?" Denn, so Hendricks weiter sachlich-nüchtern: Zu einem möglichen Ministeramt für sie gebe es noch keine Bestätigung. "Wir müssen erst das Mitgliedervotum abwarten, bevor wir wirklich Entscheidungen fällen können", sagt sie.

Dabei scheint Hendricks gesetzt - vor allem mit Blick auf ihre engagierte Umweltpolitik: Ihr größter Erfolg dürfte unbestritten der Abschluss des Pariser Klimaabkommens gewesen sein. Hatte sie in der Vergangenheit für ihren Verhandlungsstil noch Kritik einstecken müssen, etwa bei der Weltklimakonferenz 2014, als das Magazin Spiegel urteilte, sie sei noch weit von internationaler Bühnenreife entfernt, machte sie in Paris Nägeln mit Köpfen - und hatte ihren Anteil am bedeutendsten Klimaabkommen der Geschichte.

An der Heimatfront lief es nicht immer so glatt: Für die "elf neuen Bauernregeln", die ihr Ministerium vor genau einem Jahr herausgab, musste sie aus der Landwirtschaft heftige Kritik und wütende Proteste einstecken. Gerade auch in ihrer niederrheinischen Heimat. "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein", hieß es da vom Ministerium. Oder auch: "Wenn alles bleibt, so wie es ist, kräht bald kein Hahn mehr auf dem Mist."

Dennoch und gerade deswegen können die Grünen im Kreis Kleve eine gewisse Sympathie für Hendricls nicht verhehlen: "Wir würden es begrüßen, wenn die Umwelt-Politik, die Barbara Hendricks persönlich trägt, mehr Nachhall in ihrer Partei und damit dann auch in der Koalition finden würde", sagt Bruno Jöbkes, Sprecher der Grünen im Kreis Kleve. Das lese er auch aus dem Koalitionsvertrag, der, hätte Hendricks mehr Einfluss gehabt, vermutlich stringenter für die Umwelt ausgefallen wäre, so Jöbkes. "Wenn Hendricks mehr Hendricks sein könnte, würden wir Grüne sie als Umweltministerin begrüßen", sagt er - und führt ihre Ambitionen zum Thema Wolf und Weidehaltung an.

Sechs Seiten umfasst der umweltpolitische Teil des neuen Koalitionsvertrags. Daran wird sich Hendricks in den kommenden vier Jahren messen lassen müssen. "Wir stehen für eine Umwelt- und Klimapolitik, die die Bewahrung der Schöpfung und den Schutz natürlicher Ressourcen mit wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung erfolgreich verbindet", heißt es da. Dass das nicht immer einfach wird, zeigt ein Blick in die Vereinigten Staaten. Auf internationaler Bühne wird Hendricks auch gegen die Politik eines US-Präsidenten kämpfen müssen, der dafür steht, auf Kohle statt erneuerbare Energien zu setzen, Umweltschutzgebiete einzuschränken und - wie zuletzt beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu beobachten - auch noch Unterstützung aus der deutschen Wirtschaft erhält. Aber offene Konflikte drohen Hendricks auch diesseits des Atlantiks: Zuletzt haben die zuständigen Behörden im Kreis Kleve damit angefangen, Jodtabletten zu verteilen, falls es im Problem-Atomkraftwerk Tihange (Belgien) zu einem GAU kommen sollte. Es wird sich zeigen, wie viel Druck Hendricks bei Fragen maroder Atomkraftwerke in der EU ausüben kann.

Doch davor steht die Basis: und die scheint immer noch uneins. Das weiß auch Jürgen Franken, SPD-Fraktionschef in Hendricks-Heimat-Kreis Kleve: "Erst müssen die Mitglieder entscheiden, und das sieht sehr eng aus", sagt Franken. Auch am Niederrhein. Er sei auch noch unentschieden, sagt Franken: "Das ist eine schwierige Gemengelage - ich werde mir jetzt erst einmal den Vertrag durchlesen, und erst dann entscheiden." Natürlich begrüße die SPD im Kreis aber eine Ministerin Hendricks.

Das sehen selbst die Freidemokraten so. Stephan Haupt, für die FDP im Landtag in Düsseldorf: "Wenn eine SPD-Ministerin, dann eine aus dem Kreis Kleve", sagt er. Vor allem auch wegen der Person Hendricks, die sich mit dem Kreis Kleve identifiziere. Stephan Rouenhoff, der das Direktmandat für Berlin im Kreis Kleve gegen Hendricks für die CDU gewann und Hendricks damit eine politische Niederlage zufügte, ist vorsichtig. Ja, er würde eine Ministerin Hendricks begrüßen, aber es sei noch nichts bestätigt. "Wir müssen erst abwarten, wie die SPD-Basis das sieht", sagt er. Wobei er in der kommenden Legislaturperiode eher die Schwerpunkte bei Themen wie soziale und innere Sicherheit und die Auswirkungen der Digitalisierung als bei der Umwelt sehe.

So oder so: Im Jahr 2021, wenn die erneute Amtszeit von Barbara Hendricks enden würde, feiert die Kleverin ihren 69. Geburtstag. Man kann also ziemlich sicher davon ausgehen, dass sie dann nicht noch einmal antritt. Allerdings hat uns nicht zuletzt der Fall Gabriel gelehrt: Die Politik ist immer auch für Überraschungen gut.

(RP)
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