Kleve Im Notfall sofort die 112 anrufen

Kleve · Bei der Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland ging es um die Frage, wie gut und wie schnell den Menschen in der Region in Notsituationen geholfen wird. Jeder Bürger ist auch selbst in der Verantwortung.

 Dr. med. Michael Pelzer, Andreas Derksen, Michael Hendricks, Matthias Grass, Gisela Brücher, Ralf Benkel, Niclas Janßen und Joachim Beisel (von links) stellten sich vor Beginn der Zukunftswerkstatt zum Foto auf.

Dr. med. Michael Pelzer, Andreas Derksen, Michael Hendricks, Matthias Grass, Gisela Brücher, Ralf Benkel, Niclas Janßen und Joachim Beisel (von links) stellten sich vor Beginn der Zukunftswerkstatt zum Foto auf.

Foto: Gottfried Evers

Wenn Menschen in eine Notsituation geraten, zählt jede Sekunde. Viele denken: Rettungskräfte, Polizei oder Feuerwehr sind die wichtigsten Ersthelfer. Doch das ist in aller Regel falsch. "Derjenige, der am meisten Einfluss hat, ist der, der zuerst die Notsituation eines anderen Menschen erkennt", sagt Ralf Benkel, der Klever Stadtbrandinspektor. Er muss sofort handeln: selbst helfen, so weit eben möglich, und dann den Notruf 112 wählen.

"Hilfe in der Not: Funktioniert die Kommunikation der Retter untereinander?" - so war die jüngste Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland überschrieben. An der Kommunikation untereinander scheitert es nicht, das wurde schnell deutlich. Aber viele Bürger wissen im Notfall nicht, was zu tun ist oder sie scheuen sich davor, Hilfe zu leisten. "Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, dass man ausschließlich bei Feuer die Telefonnummer 112 wählen sollte", betont Michael Hendricks, der Sprecher der Freiwilligen Feuerwehr Bedburg-Hau. Er stellt richtig: "Über die Notrufnummer 112 erreicht man eine sogenannte Notrufzentrale/Rettungsleitstelle. Dort kann man nicht nur Brände, sondern auch Unfälle, medizinische Notfälle oder andere bedrohliche Situationen melden. Die Nummer 112 ist sowohl vom Festnetzanschluss als auch vom Mobiltelefon aus ohne Vorwahl erreichbar und überall kostenlos."

Wichtig sei es, genaue Angaben zu machen. Dabei gelte es, die folgenden fünf W-Fragen zu beachten: Wo ist der Notfall/Unfall? Was ist geschehen? Wie viele Verletzte/Betroffene sind zu versorgen? Welche Verletzungen oder Krankheitszeichen haben die Betroffenen? Michael Pelzer, Facharzt für Allgemeinmedizin und Notarzt im Kreis Kleve, mahnt eindringlich: "Immer auf Rückfragen der Rettungsleitstelle warten! Niemals einfach auflegen!"

Jeder Bürger sei verpflichtet, im Notfall Hilfe zu leisten, sagt Benkel: "Derjenige, der zuerst vorbeikommt, etwa bei einem Unfall, muss helfen. Der Bürger ist ganz stark in der Verantwortung." Keiner müsse Angst haben, dafür belangt zu werden, wenn er den Notruf wählt und sich eine Notsituation später als nicht ganz so bedrohlich herausstellt. "Niemand, der einen Anruf tätigt und wirklich helfen wollte, wird zur Kasse gebeten." Andreas Derksen, Ärztlicher Leiter des Notarztstandorts Kleve, ergänzt: "Die Profis am anderen Ende der Leitung können sehr gut einschätzen, wann ein wirklicher Notfall vorliegt. Sie entscheiden auch, wann ein Krankenwagen und wann ein Rettungswagen losgeschickt wird und ob ein Notarzt mitfährt oder nicht. Im Zweifelsfall gehen wir auf Nummer sicher und schicken Rettungswagen und Notarzt". Die Expertenrunde ist sich einig: Die Leitstelle funktioniert sehr gut. Der Kreis Kleve hat enorm viel getan, um die Mitarbeiter zu qualifizieren.

Doch es gibt auch Verbesserungspotenzial. So hält Michael Pelzer das Notruf-System an einer Stelle für nicht optimal: "Uns fehlt eine Stelle, die filtriert, ob ein echter Notfall vorliegt oder nicht." Und der ärztliche Bereitschaftsdienst, der in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen unter der Rufnummer 116117 gewählt werden kann, leide unter mangelnder Erreichbarkeit. Pelzer: "Außerdem sitzen dort keine Mediziner, sondern Verwaltungsangestellte." Michael Hendricks hält das niederländische System für pragmatischer als das deutsche. "In den niederländischen Leitstellen sitzen Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr zusammen und sie sind alle über die 112 erreichbar", sagt der Feuerwehrmann.

Auch ein Hochwasser kann einen Notfall darstellen. Davon können die Einwohner des von Rhein und Altrhein umschlossenen Örtchens Schenkenschanz ein Lied singen. Gisela Brücher, die dort seit 40 Jahren wohnt, macht sich Sorgen, seitdem die Fähre Martin Schenk abgeschafft wurde. "Wir haben den Eindruck, dass Notfallpläne ausgearbeitet werden, ohne dass mal jemand hierhin kommt. Wenn auf der Martin-Schenk-Straße mal ein Trecker verunglückt, kommt hier keiner mehr weg. Auf die neue Personenfähre passen nur Fahrräder", sagt Brücher.

Sie bemängelt, dass die Schänzer weder von der Stadtverwaltung unter Bürgermeisterin Sonja Northing, noch von den Rettungsdiensten über den Stand der Notfallpläne informiert werden. "Die Menschen hier sind unsicher. Man muss uns doch mal zeigen, dass uns im Katastrophenfall gut geholfen werden kann", sagt Brücher.

Sowohl Feuerwehr-Chef Ralf Benkel als auch Niclas Janßen, Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks Kleve, gaben Entwarnung: Auch, wenn die Schanz insbesondere bei Hochwasser schwierig zu erreichen ist, sei man gut vorbereitet.

(RP)
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