Kranenburg Große Straße - was hat dich bloß so ruiniert?

Kranenburg · Der Abstieg des Kranenburger Ortskerns war ein schleichender. Die Große Straße blutet aus. Geschäfte schließen, Häuser werden sich selbst überlassen. Bürger wollen den Trend jetzt umkehren.

Um ein Problemviertel zu beschreiben, heißt es gelegentlich: "Da sollte man auf keinen Fall mit halb vollem Tank durchfahren." Für das Zentrum Kranenburgs ist das zu hart formuliert. Doch wird der Niedergang hier an zahlreichen Stellen sichtbar. Es ist der schleichende Verfall von Teilen des historischen Ortskerns, der immer mehr an Attraktivität einbüßt. Die Große Straße, mit ihren einst zahlreichen Geschäften, blutet aus. Fensterfronten sind mit Zeitungspapier abgeklebt, der Dreck der Straße sammelt sich in Eingängen, ständig heruntergelassene Jalousien kennzeichnen die unbewohnten Häuser. Die Gassen passen sich dem Erscheinungsbild an.

Heinz Nielen ist 68 Jahre alt. Mehr als sein halbes Leben hat er in der Gemeinde verbracht. Er kennt die verschiedenen Gesichter des Zentrums. Zunächst wurden hier die Wunden, die der Krieg hinterlassen hatte, geheilt. Nielen erlebt jetzt den Zerfall einer ehemals gesunden Einkaufsstraße. Doch will er dabei nicht weiter zusehen. Denn es liegt ihm nicht erst seit gestern etwas an seiner Heimat. Jahrelang saß er für die SPD im Rat der Gemeinde, war Fraktionschef. Nach seiner politischen Arbeit will er auch jetzt dabei mithelfen, dass Kranenburgs Mitte wieder ein einladender Ort wird. "Es ist eine Schande, wie sich die Hauptstraße entwickelt hat. Hier gibt es mittlerweile soziale Brennpunkte", sagt der 68-Jährige. Auch die Nebenstraßen sähen schlimm aus. Am Uitweg oder an der Wanderstraße würden Mülltonnen und Dreck das Erscheinungsbild prägen, so Nielen.

Er ist davon überzeugt, dass viele Bürger auf der Großen Straße wohnen, denen es egal ist, wie es dort aussieht und sagt: "Beschäftigte von Zeitarbeitsfirmen werden hier untergebracht. Besitzer von Immobilien sind nicht auffindbar, wenn sie gebraucht werden. Die hohe Wohnqualität gibt es nicht mehr."

Vor drei Jahren gründete Nielen zusammen mit sechs Kranenburgern den Initiativkreis "von Bürgern für Bürger". Auf der Großen Straße besaß die Gruppe ein Büro, das aufgeben werden musste. Der Mietvertrag wurde nicht verlängert. Das Bündnis arbeitet daran, den negativen Trend im historischen Ortskern zu stoppen und diesen wieder attraktiver zu gestalten. Vier Arbeitskreise wurden gebildet, die sich unter anderem mit den Themen Wirtschaft, Tourismus, Gebäude oder Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) beschäftigen. Etwa 50 Bürger arbeiten in den Gruppen. Heinz Nielen präsentierte jetzt zusammen mit Bernhard Landman (73) erste Ergebnisse und Vorschläge der Heimatfreunde.

Landman, einst Leiter des Kranenburger Bauhofs, wertete eine Umfrage aus, die unter den Geschäftsleuten der Großen Straße durchgeführt wurde. Aus der ging hervor, dass die Händler über die geänderte Verkehrsregelung (Einfahrt aus Wyler nicht möglich) erneut diskutieren wollen. "Die Kaufleute sehen sich gegenüber dem Einkaufszentrum ins zweite Glied versetzt", hebt Landman eine weitere Erkenntnis der Befragung hervor. So wird die schlechte Anbindung an die Frische-Arena als ein Manko bewertet. Pläne, diese zu verbessern, wurden im Rat gefasst. Was die Möglichkeiten der Gemeinde betrifft, hier für grundlegende Änderungen zu sorgen, so sind diese begrenzt. Ein Problem ist, dass Kommunen häufig erst dann in den Prozess eingreifen, wenn vieles schon geschehen ist.

Das heruntergekommene Erscheinungsbild des Ortskerns ist für die Händler ein weiterer Grund für die nicht mehr vorhandene Aufenthaltsqualität. Die, so plant es der Initiativkreis, soll kurzfristig verbessert werden. Angedacht sind erste Verschönerungsmaßnahmen mit zunächst geringfügigen Kosten. Blumenpyramiden sollen auf den Marktplatz gestellt werden, Bürger würden sich unentgeltlich um die Pflege kümmern. Durch Blumenampeln, Blumenpyramiden sowie die Pflanzung von Säulenbuchen würde die Große Straße attraktiver.

Eine besondere Bedeutung kommt nach Ansicht von Landman und Nielen dem naturbelassenen Klostergarten zu. Ziel ist es, den beliebten Treffpunkt noch attraktiver zu gestalten. Dazu beitragen würde ein Nistplatz für Störche. Die brüteten hier bereits vor 180 Jahren und sollen es wieder tun, so die Gruppe. Zudem fehlten hochwertige Spielgeräte auf dem Spielplatz im Klostergarten, auch für Menschen mit Behinderung.

Heinz Nielen betont, dass Kranenburgs Bürgermeister Günter Steins den Plänen offen gegenüberstehe. Auch die geplante Gründung einer Genossenschaft durch die Initiative, bewerte Steins positiv. Mit dieser Genossenschaft, an der sich jeder Bürger beteiligen kann, will der Aktionskreis einen Beitrag zur Verbesserung des Zentrums leisten. Es ist geplant, ein Haus auf der Großen Straße zu kaufen. "Wir wollen das Gebäude renovieren und so ein Zeichen setzen. Im Erdgeschoss soll unsere Geschäftsstelle einziehen. Darüber würden zwei Wohnungen eingerichtet. Es handelt sich hier um ein Haus mit reichlich Flair", sagt der 68-Jährige. Flair, das dem Zentrum verloren ging. Nielen und seine Mitstreiter wollen die Identität des historischen Ortskerns betonen und das Erscheinungsbild wieder ansehnlich gestalten. Ein ebenso ehrenwertes wie anspruchsvolles Vorhaben. Der Initiative ist bewusst, dass Blumen und ein paar Eimer Farbe für Hausfassanden für das Ziel nicht reichen.

(jan)
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