Bedburg-Hau-Moyland Gespenster in der Schlossruine

Bedburg-Hau-Moyland · In der Ausstellung "Kunst.Bewegt.08" wird das alte Märchen um Schloss Moyland wieder lebendig. Feine Strichzeichnungen spiegeln die besondere Sicht des Zeichners Gottfried Wiegand auf eine unheimliche Ruine wider.

 Nur noch eine Ruine: Gottfried Wiegands Blick auf Schloss Moyland

Nur noch eine Ruine: Gottfried Wiegands Blick auf Schloss Moyland

Foto: Gottfried Evers

Die Balken hängen von den Decken, in den dicken Ziegelsteinmauern sind Löcher, durch die leeren Fensterhöhlen pfeift der Wind. Schloss Moyland war Ruine, in den letzten Kriegstagen schwer beschädigt, dann dem Verfall preisgegeben. In manchen Räumen kann man vom Keller bis unters Dach gucken, in anderen geht's in dunkle Höhlen. Schutt versperrt den Weg. Gesprayte Hexen und Gehörnte drohen von den Putzresten. Klar, dass es hier Gespenster geben muss. Ganz bestimmt, wenn man um die nächste Ecke biegt.

Als die Schriftstellerin Ingrid Bachér, die später noch Vorsitzende des PEN-Clubs werden sollte, 1975 mit ihren Kindern durch die Ruine über Balken und Ziegel kletterte, präsentierte sich Moyland verwunschen. Zugewuchert und verwildert der Park, verfallen die Türme und Häuser des Schlosses. Das große Tor vorne hinaus war mit Brettern verschlagen. "Betreten verboten! Einsturzgefahr" drohte ein großes Schild.

"Betreten verboten! Einsturzgefahr" heißt es auch auf dem ersten Bild im Buch, das Ingrid Bachér als "illustres Kunstmärchen" (so später der Kunstsammler Hans van der Grinten) über Moyland schrieb. Jetzt stehen das Buch der zeitweise in Goch auf dem Thomashof lebenden Schriftstellerin und vor allem die Illustrationen des Malers und Zeichners Gottfried Wiegand im Mittelpunkt einer Kabinett-Ausstellung in Museum Schloss Moyland.

Das wunderbare Märchenbuch, das von Adrian, dem Jungen, der im Kahn über den Graben ins Schloss fährt, vom Fuchs und vor allem vom Rippel erzählt, gibt's dazu für gerade mal drei Euro im Museumsshop. Denn als Schloss Moyland 1997 als Museum für moderne Kunst eröffnet wurde, wurde das kleine Büchlein neu aufgelegt. Dr. Barbara Strieder, die Leiterin der grafischen Sammlung des Schlosses, hat die 23 feinen Strichzeichnungen, die Gottfried Wiegand zum Text machte, aus dem Fundus des Museums ins Licht der Ausstellung "Kunst.Bewegt.08" geholt.

Im Eckturm, dort, wo das Rippel vor 40 Jahren im Gebälk geturnt haben könnte, hängen die Tuschzeichnungen in der Runde. Man solle sich das Buch nehmen, lesen und entlang der Zeichnungen schreiten und so die Geschichte vom Rippel noch einmal ganz neu erleben, schlägt Strieder vor.

In einer Vitrine sind die Originalausgabe von 1975 zu sehen, das aktuell noch zu habende Buch von 1997 sowie einige Bleistiftentwürfe, die der vor zehn Jahren verstorbene Wiega nd spontan aufs Papier geworfen hatte.

Bacher kannte Wiegand, als sie Mitte der 1970er Jahre vom Thomashof aus durch das Schloss streifte. Der Zeichner gehörte zu den Künstlerfreunden von Hans und Franz-Joseph van der Grinten, die später eben dieses Schloss auserkoren, dort ihre Sammlung und vor allem ihren großen Fundus von Beuys-Zeichnungen zu präsentieren. Doch 1975 hatte noch keine eine Ahnung, dass die Ruine dereinst für rund 30 Millionen Euro wieder zum ansehnlichen Ausflugsziel werden sollte. Ausflugsziel war Moyland zu dieser Zeit für Abenteuerlustige, Ruinen-Fans und jene, die hier - wie auch immer - feierten. Und nicht Wenige hinterließen irgendwelche Kraxeleien auf der Wand. Eine, ein gehörntes Teufels-Gerippe, das dem Besucher böse die Hand mit ausgestrecktem Zeige- und kleinem Finger entgegenstreckt, soll Bacher für das Rippel inspiriert haben, sagt Strieder.

Mit ihrem damaligen Verlag einigte sie sich auf Gottfried Wiegand als Illustrator. Und der schuf Bilder, die, so Hans van der Grinten in einem späteren Nachwort, ihre Wurzeln in der deutschen Frühromantik nicht verleugnen. Da scheint der Mond kalt durch die Mauerritze und spiegelt sich weiß im Wasser, da guckt der schlaue Fuchs, der irgendwie zum Rippel gehört (wir wollen die Geschichte ja nicht verraten) mit freundlichen Augen und buschigem Schweif. Nur das Rippel sieht man nicht. Aber das ist ja auch ein Gespenst. Denn wie heißt der Titel des Buches: "Gespenster sieht man nicht".

Das Buch fasziniert mit seiner Geschichte und seinen Zeichnungen bis heute Erwachsene wie Kinder, man kann es lesen und vor allem vorlesen mit Blick auf die dicken Falltüren und Pfosten und Gänge. Und man erfährt, dass diese Türen und Falltüren verwunschen sind - sie lassen das Rippel nämlich nicht 'raus. Weil der böse Verwalter es so will . . .

Ausstellung "Kunst.bewegt.08" in Schloss Moyland, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11 Uhr bis 17 Uhr.

(RP)
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