Kranenburg-Frasselt Frasselt vor 76 Jahren: Krieg statt Kirmes

Kranenburg-Frasselt · Heute jährt sich der Zweite Weltkrieg, an Volksfeste wie die Kirmes war damals im Straßendorf Frasselt nicht zu denken.

 Gewehr bei Fuß: Die meisten Schützen kennen das aus der Soldatenzeit, damals mit scharfen Schießeisen jetzt mit hölzernen Gewehrattrappen. Angetreten sind hier (v. l.): Hermann Pierlo, Karl Kamps, Leo Tissen, Johann Voss, Theo Cleven, Theodor Heinen, Wilhelm Janßen, Anton Berns, Ludwig Fleuren, NN van den Boom, Josef Cleusters und Heinrich Daams. Mit der Armbrust holte Gerd Gietmann (Unterfrasselt, nicht auf dem Bild) den Rest des Vogels von der Stange.

Gewehr bei Fuß: Die meisten Schützen kennen das aus der Soldatenzeit, damals mit scharfen Schießeisen jetzt mit hölzernen Gewehrattrappen. Angetreten sind hier (v. l.): Hermann Pierlo, Karl Kamps, Leo Tissen, Johann Voss, Theo Cleven, Theodor Heinen, Wilhelm Janßen, Anton Berns, Ludwig Fleuren, NN van den Boom, Josef Cleusters und Heinrich Daams. Mit der Armbrust holte Gerd Gietmann (Unterfrasselt, nicht auf dem Bild) den Rest des Vogels von der Stange.

Foto: Bildband Frasselt

Im Straßendorf Frasselt steht am kommenden Wochende die Kirmes an, die nach wie vor ein Volksfest ist. Das war nicht immer selbstverständlich: Vor 76 Jahren wurde sie kurzfristig abgesagt. Es war Krieg, heute jährt sich dessen Beginn. Dennoch kamen die Gäste, sogar in Scharen und überwiegend in Feldgrau. Schule wie Wirtshaussäle dienten der Einquartierung, die bis zum Einmarsch in Holland am 10. Mai 1940 währte.

Schon äußerlich war damals ein nahendes Kirmesfest vielen Häusern anzusehen. Alles wurde geputzt und auf Vordermann gebracht, vieles erhielt einen neuen Anstrich. Sogar die Straßenbäume bekamen - allerdings kriegsbedingt - eine "weiße Weste". Um Feindflugzeugen nachts keine Anhaltspunkte für gezielte Bombenabwürfe zu bieten, war Verdunkelung oberste Pflicht. Autos wie Fahrräder durften ihr Licht nur durch einen schmalen Lampenschlitz werfen. Die weißen Streifen an den Baumstämmen erleichterten durch Reflektion die Orientierung. In den Kirchen musste Kerzenlicht genügen, wenn das Tageslicht nicht reichte.

In vielen Häusern kam es während der Kirmestage zu Familientreffen mit Angehörigen, die durch Heirat oder Beruf nun anderswo lebten. Da wurde gegessen, so gut es ging, und auch an einer reich gedeckten Kaffeetafel "keuerte" man über "Det än Dat", meistens auf Platt. Dabei vermisst: Die Männer, die zur Wehrmacht einberufen waren.

Zum Schutz der Bevölkerung wurden in der Ortsmitte zwei Luftschutzbunker gebaut, einer unter dem Lagergebäude hinter der Gaststätte "On de Kerk", ein weiterer unter einem Schuppen auf dem Hof Pierlo. Auch mancher Hauskeller wurde für diesen Zweck ausgebaut. Nur noch wenige Frasselter wissen, dass die ersten Bomben Ende Februar 1941 auf dem Klinkenberg fielen. Damals standen auf dem Frasselter Berg Scheinwerfer (Durchmesser 1,5 Meter), die nachts mit ihren Lichtstrahlen Feindflugzeuge noch in einer Höhe von 10 000 Metern erfassen konnten. Funker forderten dann deutsche Jäger herbei. Eine Bombe explodierte direkt neben dem Haus Nummer 5. Der zerstörte Altbau von Andreas Jansen wurde auf Staatskosten ersetzt. Heute sind eine Baugenehmigung im Gemeindearchiv neben der Nachkriegs-Pfarrchronik von Pastor Wilhelm Kück die einzigen Schriftstücke zu diesem Kuriosum; denn bald sah sich der Staat bei derartigen Schadensregulierungen überfordert. Ältere Nachbarn, so vom Hof Derks Sr. Josefa (89), seit Kriegsende Ordensfrau bei den Dernbacher Schwestern, sowie ihre jüngeren Schwestern Luise Krebbers (Frasselter Berg) und Maria Lange (Grafwegen), können sich noch erinnern, dass eine Hauswand herausgefallen war, andere Risse hatten und oben ein Bett sozusagen im Freien stand. Die geschädigte Familie fand im Jugendheim Unterkunft.

Am Kirmessonntag 1944 kamen Hunderte von Schanzarbeitern für den Panzergraben ins Dorf, am 17. September leitete der Bombenangriff den Krieg am Niederrhein ein. Dabei wurde der Marsch der Briten nach Berlin bei Arnheim gestoppt, so dass über Monate Teufelsberg und Wylerberg für sie der einzige schon eroberte deutsche Landzipfel blieben. 1945 hausten die aus der Evakuierung heimgekehrten Dorfbewohner in notdürftig hergerichteten Räumen oder Kellern ihrer zerstörten Häuser. Erst 1949 konnten die Schützen ein Königsschießen durchführen, mit der Armbrust; denn Gewehre durfte ein Deutscher damals noch nicht besitzen.

(RP)
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