Kleve Ein i-Dötzchen "kostet" Eltern bis zu 600 Euro

Kleve · Der Farbkasten soll von Pelikan sein, in die Federmappe gehören nur dicken Buntstifte, das Kinderzimmer muss einen guten Schreibtisch und Stuhl haben, damit der Grundschüler auch richtig lernen kann.

 Bereit für den Schulstart: Für i-Dötzchen Jesse Ernst kann der Unterricht losgehen, er ist rundum ausgestattet.

Bereit für den Schulstart: Für i-Dötzchen Jesse Ernst kann der Unterricht losgehen, er ist rundum ausgestattet.

Foto: Gottfried Evers

Seit sein Bruder Mats im vergangenen Jahr eingeschult wurde, kann es der sechs Jahre alte Jesse kaum noch erwarten, selbst in die erste Klasse zu gehen. Wie eifrig er in den letzten zwölf Monaten schon mit Mats mitgelernt hat, zeigt er auf seinem Schreibpapier. Sein Name und der seines Bruders kann er perfekt, Mama und Papa sind ein Klacks, und auch an die schweren Wörter wie Katze oder Maus traut sich Jesse schon ran.

Für den kleinen Klever hat das geduldige Warten jetzt endlich ein Ende. Am Donnerstag darf er wie der große Bruder zur Montessorischule, um dort zu rechnen und zu lesen. Klar bekommt Jesse eine Schultüte, er hat sogar beim Basteln geholfen, verrät uns Mama Maren Ernst. Damit ist es aber noch lange nicht getan. So ein i-Dötzchen will ausgestattet werden. Und das kann ganz schön ins Geld gehen.

Jesse hat sich einen Scout-Tornister ausgesucht, mit Raumschiffen drauf. Der Turnbeutel ist im passenden Design und auch Federmappe und Schlamper, das kleine Etui, in dem die Stifte ruhig mal rumfliegen dürfen. "Das Paket hat etwa 190 Euro gekostet", sagt Papa Joris Ernst. Natürlich bleibt die Federmappe nicht leer, die Schule hat eine lange Liste geschickt, was dort genau rein gehört: Buntstifte sollten dick sein, besondere Farben sind wünschenswert, wie gold, silber oder hautfarben. "Wir mussten drei Bleistifte kaufen, entweder mit ,Jumbo grib' oder von Stabilo den ,Easygraph'", sagt Maren Ernst.

Schere, Kleber, Spitzer - die gehören auch zu einer guten Grundausstattung, genau wie der Farbkasten. Aber bitte von Pelikan. Hausschuhe braucht Jesse gleich zwei Paar, weil er im Offenen Ganztag betreut wird, und für die Sporthalle erwarten die Lehrer mindestens Turnschuhe mit heller Sohle, gerne auch samt Klettverschluss.

"Dafür haben wir rund 70 Euro ausgegeben", sagt Jesses Mama, die bei einem ersten Elternabend im vergangenen Juni bereits 55 Euro an die Schule gezahlt hat, die davon allerlei Unterrichtsmaterial besorgt, wie Hefte, Ordner und Mappen. In der Sammelbestellung sei es günstiger.

Die Zwischenbilanz kann sich bereits sehen lassen: bis zu 315 Euro für Tornister, Hefte und Schreibutensilien. Damit ist ein i-Dötzchen aber noch lange nicht schulstartfähig: "Die Oma hat einen Schreibtisch plus mitwachsendem Stuhl beigesteuert", sagt Joris Ernst, "für 150 Euro etwa." Im April 2016 steht die erste Klassenfahrt an, die erfahrungsgemäß 100 bis 120 Euro kostet. Jesses Mama ist nämlich auch Lehrerin. Und Ausflüge in den Zoo oder ins Museum will natürlich auch kein i-Dötzchen verpassen.

Familie Ernst kann zumindest bei der Busfahrkarte sparen, die sonst im Monatsabo zwölf Euro kosten würde. "Ich bringe die Jungs vor der Arbeit zur Schule", sagt Joris Ernst. Dafür soll der erste Schultag gebührend gefeiert werden, mit Großeltern und Paten. "Wir werden sicher essen gehen", sagt Papa Ernst. Und ein bisschen Kleinkram muss auch noch besorgt werden, schließlich soll die selbst gebastelte Schultüte nicht leer bleiben. "Aber wir wollen es nicht übertreiben", sagt Maren Ernst. Sie denkt an ein paar Bücher, vielleicht einen Locher, Tesafilm.

Zeit für einen Kassensturz: Ein i-Dötzchen kostet bis zu 600 Euro, viel Geld, vor allem wenn man das Ganze schon vor einem Jahr alles bezahlt hat. Wie Familie Ernst. Vererben kann Mats nichts an Jesse, schließlich kann er in der zweiten Klasse nicht auf Tornister oder Stifte verzichten.

Für Jesse ist das alles nicht so wichtig. Er ist froh, dass er endlich zur Schule gehen darf. "Weil mein Bruder da ist und ich Sport machen und rechnen kann", sagt er. Und die Lehrerin soll auch sehr nett sein, verrät sein Papa.

(RP)
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