Kleverland Die Angst vor Schnellschüssen

Kleverland · Auf Landesebene wird seit Einführung des Abiturs nach acht Jahren Gymnasium (G 8) ständig über eine Rückkehr zum G 9 diskutiert. Eine Umfrage zu dem Thema unter den hiesigen Direktoren ergab ein unterschiedliches Bild.

 Abiturprüfungen — derzeit sitzen die Schüler hier in der Regel nach acht Jahren Gymnasium.

Abiturprüfungen — derzeit sitzen die Schüler hier in der Regel nach acht Jahren Gymnasium.

Foto: dpa/PA Rui Vieira/dpa

Geht es nach dem Willen der Landeselternschaft, sollte das "Turbo-Abi" lieber heute statt morgen wieder abgeschafft werden. Zuletzt trafen sich Vertreter aus Verbänden, Parteien und Initiativen auf Landesebene, um über die Zukunft des Gymnasiums zu diskutieren. Thema war: Soll das Abitur nach acht Jahren am Gymnasium (G 8) abgelegt werden oder wie vor der Umstellung nach neun (G 9)? Deutlich wurde bei dem Treffen, dass es bei der jetzigen Form kaum bleiben dürfte.

In einer Umfrage unter den Schulleitern der Gymnasien des Kleverlandes wird deutlich, dass man einer Rückkehr zu G 9 durchaus aufgeschlossen gegenübersteht. Sorgen bereitet die Gefahr eines nicht ausreichend durchdachten Schnellschusses.

Timo Bleisteiner, Leiter Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Kleve, kann sich derzeit keine abschließende Meinung über G 8 oder G 9 bilden. "Man muss zunächst einmal wissen, wie G 9 denn konkret aussehen soll? Da werden etliche Varianten diskutiert. Erst wenn man die Alternative zu dem aktuellen G 8 kennt, ist eine abschließende Bewertung möglich. Klar ist für mich, dass G 8 in seiner jetzigen Form nach der Landtagswahl nicht weiter bestehen wird", sagt Bleisteiner. Was er ablehnt ist, wenn beide Systeme nebeneinander angeboten würden. "Es sollte ein einheitliches Modell geben und nicht jede Schule für sich entscheiden, was sie will. Da muss die Politik klare Vorgaben machen. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Struktur eines Gymnasiums in Essen wie die in Kleve aussieht", sagt der Oberstudiendirektor. Bleisteiner ist beruhigt, dass es in der Frage keinen Schnellschuss geben wird. "Es wäre ein Fehler, jetzt wieder Halbgares zu präsentieren", sagt er. Entscheidend sei ein verlässliches Modell, alles andere würde nur für Chaos sorgen. Bleisteiner befürwortet jedoch, wenn Schüler wieder mehr Zeit fürs Lernen bekommen würden und betont: "Für viele Schüler ist G 8 kein Problem, aber es gibt auch jene, die einfach mehr Zeit benötigen, um die Abiturprüfungen erfolgreich ablegen zu können."

Heinz Bernd Westerhoff, Kommissarischer Schulleiter des Klever Konrad-Adenauer-Gymnasiums (KAG), steht "sehr offen" zu einer Rückkehr zu G 9. "Ich könnte mir vorstellen, dass das Abitur nach neun Jahren gut zu unserer Schule passen würde", sagt Westerhoff. Da demnächst die Hauptschule aus dem Gebäude des Schulzentrums verschwindet, hätte er auch räumlich genug Platz, um auf G 9 umzustellen. Das gelte erst Recht, falls das KAG, wie derzeit in der Diskussion, neu gebaut werden sollte, betont Westerhoff. Die Rückmeldungen von Eltern und Schülern zum derzeit praktizierten G-8-System seien eher negativ: "Uns wird berichtet, dass die Schüler das als relativ starke Belastung empfinden. Alles sei sehr dicht. Es sei kaum noch Zeit für Hobbys." Sein Fazit: "Wir müssen uns fragen, was wir wollen. Wir müssen derzeit schon bis zum Alter von 67 arbeiten. Bei G 8 ist es so, dass die Abiturienten noch sehr jung sind. Mit 17 weiß man oft noch gar nicht so recht, was man machen will, darf noch nicht mal selbst eine Wohnung mieten." Westerhoffs Wunsch wäre, dass Schule beziehungsweise Kommune selbst entscheiden dürften, ob sie G 8 oder G 9 anbieten.

Susanne Janßen, Jan-Joest-Gymnasium Kalkar, hat einige Jahre an einem sächsischen Gymnasium unterrichtet, bevor sie an den Niederrhein zurückkehrte. Dort, "im Osten", war eine achtjährige Gymnasialzeit immer die Regel. Und weder Eltern, noch Schüler oder Lehrer hatten damit ein Problem. Dennoch würde die heutige Direktorin des Kalkarer Gymnasiums, wenn sie gefragt würde, lieber zu G 9 zurückkehren. "Weil das Thema so kaputtgeredet wurde, dass man es nicht mehr eingefangen kriegt. Die öffentliche Meinung ist mehrheitlich so sehr gegen G 8, dass ein Weitermachen auch mit kleineren Verbesserungen meiner Ansicht nach nicht mehr möglich ist."

Dabei bekommt das Gymnasium Kalkar seinen Stundenplan noch recht "schülerverträglich" hin: Fünftklässler haben keinen Nachmittagsunterricht, Schüler bis Klasse 9 müssen lediglich einmal in der Woche die 7. / 8. Stunde da bleiben. Diverse AGs, die nachmittag stattfinden, sind freiwillig, außerdem findet Förderunterricht für begabte und schwächere Schüler nachmittags statt.

"Ich habe die Kollegen gefragt, und auch sie sind der Meinung, dass dem Elternwillen entsprochen werden sollte. Eine Klasse überspringen oder nach einem Auslandsjahr in der alten Jahrgangsstufe weitermachen ging früher schon und wäre starken Schülern sicher auch im künftigen G 9 wieder möglich."

Janßen erklärt, dass "entrümpelte Stundenpläne" und weniger Hausaufgaben den Kindern die Anpassung an G 8 durchaus leichter gemacht hätten. Dennoch sei die Akzeptanz des Systems gering.

(RP)
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