Kalkar Die Altäre der Meister

Kalkar · Erweiterter Kunstführer in Kalkar vorgestellt: Das von Drs. Guido de Werd geschriebene Buch wurde mit aktuellen Fotos und Kapiteln neu aufgelegt.

 Der geniale Henrik Douverman schuf den Sieben-Schmerzen-Altar - hier ein Ausschnitt aus der zentralen Kreuzigungsszene.

Der geniale Henrik Douverman schuf den Sieben-Schmerzen-Altar - hier ein Ausschnitt aus der zentralen Kreuzigungsszene.

Foto: eve

Es ist ein Standard-Werk über das Kalkarer Mittelalter: Der Band "St. Nicolaikirche Kalkar" aus dem Deutschen Kunstverlag ist mehr, als "nur" ein Kirchenführer. Versammelt er doch, wie die Kirche, das spätmittelalterliche Schnitzwerk des Niederrheins mit den Meistern Arnt, Jupan, Douverman Bernts oder Dries Holthuys, um nur einige zu nennen, deren Arbeit in der Kirche zu besichtigen sind. Guido de Werd schrieb Mitte der 1980er Jahre den ersten Nicolai-Kunstführer und Anfang der 2000er Jahre den zweiten. Jetzt erschien eine erweiterte neue Auflage des Bandes - wieder im Deutschen Kunstverlag.

 Guido de Werd, Kalkars Bürgermeisterin Dr. Britta Schulz und Pastor Alois van Doornick (v.r.) mit dem neuen Band.

Guido de Werd, Kalkars Bürgermeisterin Dr. Britta Schulz und Pastor Alois van Doornick (v.r.) mit dem neuen Band.

Foto: Gottfried Evers

Viele spannende Geschichten stecken in der Kalkarer St. Nicolai Kirche, die zu den bedeutendsten Schatzhäusern der spätmittelalterlichen Kunst in Europa gehört. In diesem Jahr kam mit Unterstützung des Fördervereins der Nicolai-Kirche die neue Ausgabe heraus. Am Sonntag konnten die Besucher der Messe der Kalkarer Heilig Geist Gemeinde das erweiterte Werk zum ersten Mal in Augenschein nehmen und kaufen. Der Band hat eine Auflage von 6300 Büchern, stellt umfassend die Kirche samt Architektur und Inneneinrichtung sowie die dazugehörige Kunstgeschichte in einer Kurzdarstellung vor, kostet 15 Euro und ist in den Buchhandlungen oder im Eingangsbereich von St. Nicolai zu haben.

"Der Druck ist von einer hervorragenden Qualität", lobte Kalkars Pastor Alois van Doornick den neuen Band. Er hat selbst einen Beitrag zum Kunstführer beigesteuert: Van Doornick schreibt über die Fenster der Nicolai-Kirche. Damit nahm sich der Pastor eines der heiklen Themen in der Kirche an: Von Beginn an waren die Hartmann-Entwürfe für die Kirche umstritten. Die kleinteiligen Farbmuster, die Auflösung in eine mosaikförmige Farbenwelt mag für sich gesehen funktionieren. Doch blickt man hinauf ins Gesprenge der Altäre, stört's: Das fein geschnitzte, so elegant sich gen Himmel schwingende Astwerk, die zart hinaufstrebenden Fialen mit ihren Engeln drohen im Flimmern der Fenster zu verschwinden. Andererseits: St. Nicolai ist Kirche und nicht Museum, so dass die mystischen Farbenspiele ihren Sinn haben mögen. Gut schlägt van Doornick den Bogen der kirchlichen Glaskunst bis Kalkar und schenkt den Fenstern das neue Kapitel.

Ansonsten gibt de Werd in dem 168 Seiten umfassenden und in Berlin erschienenen Buch einen Querschnitt aus mehreren Jahrhunderten Kirchengeschichte. So beschreibt er im ersten Teil des Werkes, wie Kalkar es schaffte, knapp einhundert Gemälde hochrangiger spätgotischer und barocker rheinisch-niederländischer Malerei und eichengeschnitzte Skulpturen aus der Zeit zwischen 1450 und 1550 am Niederrhein zu bewahren. Artikel über die große Renovierung des Kirchengebäudes 1997 nach dem Erdbeben und die Neuaufstellung der großen Altäre finden im Buch außerdem ebenso Platz wie die Veränderungen im neuen Jahrtausend, wo Karl-Martin Hartmann 18 der 22 großen Kirchenfenster neugestaltete und der Sabisch-Altar einem neuen Werk von Erwin Heerich weichen musste. Insgesamt beschreibt Guido de Werd in einem Rundgang im Kunstführer anhand von fast 70 Punkte die Werke intensiv und gibt auch eine Übersicht über die Künstler. Der Kunsthistoriker erzählt anschaulich, beispielsweise in einem Kapitel, wie Meister Arnt von Zwolle für den Hochaltar beauftragt wurde und dass das schwere Holz dafür aus dem klevischen Wald kam. Aber auch, dass Arnt noch vor Vollendung des Altars starb. Der Marburger Ludwig Jupan übernahm die Fortführung, musste sich erst an das harten Eichenholz gewöhnen. Mit dem Führer in der Hand lernt man die Handschrift der beiden Meister kennen: Dass Arnts Figuren die kleinen untersetzten sind, die sich spannungsreich drehen und deren Gewänder kantige Falten werfen, dass Jupans Figuren gestreckter, mehr als Hochrelief denn als frei stehende Skulpturen ausgeführt sind. Mit de Werd taucht man tief in die Predella des Sieben-Schmerzen-Altars, wo sich die Wurzel Jesse rankt oder lernt Maria Magdalena als Kalkarer Bürgerfrau mit unter dem Busen geschnürten Kleid kennen. Kurz: Man blickt genauer auf die Altäre der Meister, kann Details im Buch sehen, die in der Ferne so nicht erkennbar sind.

(pets)
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