Serie Kleine Museen Das Stiftsmuseum im Tabakdorf Wissel

Kleve · In unmittelbarer Nachbarschaft zu Kirche und Friedhof liegt Wissels Stiftsmuseum. An den Wochenenden kann es besichtigt werden. Museumsleiter Ernst Klever empfiehlt das Haus auch als Station bei Radtouren. Einnahmen sind knapp, Helfer auch.

 Ernst Klever, der ehrenamtliche Museumsleiter, zeigt den Wisseler Tabak, der einst ein international gefragter Artikel war.

Ernst Klever, der ehrenamtliche Museumsleiter, zeigt den Wisseler Tabak, der einst ein international gefragter Artikel war.

Foto: Gottfried Evers

niederrhein Seit etwa 20 Jahren sieht das Wochenende von Ernst Klever sehr ähnlich aus: Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen verbringt er an jedem Samstag und Sonntag einige Stunden im Wisseler Stiftsmuseum. Klever hatte in den ersten Jahren des Museums dessen Gründer Erich Hubbertz schon mitgeholfen und später die Leitung übernommen. Seit 2007 ist er die Seele des Stiftsmuseums, organisiert auch die Wechselausstellungen und ist Ansprechpartner für die Künstler. Für Technik und Holzarbeiten hat er Helfer, die Sammlung allerdings betreut Klever weitgehend allein. Besucher, die die Öffnungszeiten am Wochenende nutzen, finden deshalb praktisch immer einen echten Fachmann in Sachen Wisseler Geschichte vor.

 Von der Dorfstraße 10 zog der Laden der Familie Höfkens, der seit 1852 bestand, im Jahr 2013 ins Wisseler Museum um.

Von der Dorfstraße 10 zog der Laden der Familie Höfkens, der seit 1852 bestand, im Jahr 2013 ins Wisseler Museum um.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Das Stift Wissel wird urkundlich erstmals im Jahr 1070 erwähnt. Mittelpunkt des Kanoniker-Stifts war die bis heute erhaltene dreischiffige Basilika. Rund um die Kirche standen Wohnhäuser, von denen nur noch zwei - eins davon das Museum - erhalten sind. 1802 wurde das Kloster aufgelöst. Ausstellungsstücke wie etwa das Grabkreuz des letzten Wisseler Kanonikers, Bibeln, Totenzettel und sakrale Gegenstände erinnern an die Stifts-Zeit. Bei den meisten Besuchern stehen allerdings andere Themen im Fokus.

 In diesem alten Kanonikerhaus ist das Stiftsmuseum untergebracht.

In diesem alten Kanonikerhaus ist das Stiftsmuseum untergebracht.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

"Insbesondere möchten alle den Krämerladen in der oberen Etage sehen. Der ist ein echter Tante-Emma-Laden, der gegenüber abgebaut und im Originalzustand wieder aufgebaut worden ist", erzählt Klever. Damit aber auch die anderen Gegenstände zu ihrem Recht kommen, führt der Museumsleiter erst einmal jeden durch die übrigen Räume. Da wären zum Beispiel die Mammutknochen und -stoßzähne, die daran erinnern, dass während der letzten Eiszeit auch am Niederrhein mächtige Tiere lebten. Tonscherben aus der Römerzeit und steinzeitliche Speerspitzen von den Wisseler Feldern lassen lange zurückliegende Zeitalter wieder aufleben. Nicht ganz so lange her ist es, dass die Wisseler Tabak anbauten. Ein Blechschild "Veritable tabac de Wissel", das im 19. Jahrhundert in Paris hing und nun eine Wand im Museum ziert, beweist, welch wichtige Handelsware der Tabak einst für das Dünendorf war. Heute wird er nur noch angebaut, damit ab und zu mal die getrockneten Tabakblätter im Museum ausgetauscht werden können. Schwarz-Weiß-Fotos von den Häusern der Tabak-Anbauer in der Düne ergänzen das Thema. "Ich habe schon mal einem Hobbyimker ein paar von den älteren Blättern mitgegeben, damit er mit dem Rauch die Bienen vertreiben kann", schmunzelt Klever. Dass jemand das Kraut aus Wissel genussvoll rauchen wolle, sei ihm hingegen noch nicht zu Ohren gekommen.

Spätestens, wenn die Gäste in den Raum geführt werden, der das alte Geschäft der Familie Höfkens detailgetreu zeigt, leuchten die Augen der Betrachter. Da stehen Werbe-Schilder für "Sunlicht"-Seife und Blendax-Zahncreme, eine "Stern"-Ausgabe von 1962 liegt vor der Waage aus dem Hause Probat (Emmerich). Maggi, Bensdorp-Kakao aus Kleve und Ata-Scheuermilch gehören zum Sortiment wie anno dazumal. Dazwischen hängt ein Kittel mit Blumenmuster, den jede brave Hausfrau trug. "Wir haben alles übernommen, was damals noch da war, und es wird auch nichts mehr dazugenommen", erklärt Klever. "Schönschreibhefte", in denen Zeile für Zeile saubere Buchstaben geübt wurden, sind ebenso erhalten wie Lebensmittelkarten. Der Museumschef: "Es ist für junge Leute heute unvorstellbar, Margarine oder Seife zugeteilt zu bekommen. Aber das war bis 1949 der Fall!"

Das alles gibt es samstags und sonntags in der Zeit zwischen 14 und 17 Uhr zu sehen. Eine kleine Spende wird gern gesehen, denn das Stiftsmuseum hat Einkünfte nur durch seinen Förderverein; ein Entgelt müssen zudem die Künstler zahlen, die die Räume für Ausstellungen nutzen. Gerne öffnet Klever auch Gruppen die Tür, die vielleicht auf einer Radtour durch Wissel kommen.

(RP)
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