Bundestagswahl 2017 Das sind die Kandidaten im Wahlkreis 112

Kleve · Am 24. September entscheiden die Bürger, wer in den nächsten vier Jahren in Deutschland regiert. Die 16 Städte und Gemeinden des Kreises Kleve mit insgesamt 226.583 Wahlberechtigten bilden den Wahlkreis 112/Kleve.An dieser Stelle präsentieren wir die sechs aussichtsreichsten Bewerber. Seit 1949 hat die CDU bisher bei jeder Wahl das Direktmandat geholt.

Bundestagswahl 2017: Die Kandidaten für den Wahlkreis 112 Kleve
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Bundestagswahl-Kandidaten für Kleve – Wahlkreis 112

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Foto: Markus van Offern

Wie sich politische Arbeit von der Verwaltungsseite her anfühlt, weiß er bestens. Und wie es ist, in der Kommunalpolitik mitzumischen - daran kann er sich zumindest erinnern. Was Stefan Rouenhoff jetzt anstrebt, ist etwas ganz anderes: Der 38-jährige Gocher möchte als Abgeordneter der CDU in den Bundestag einziehen. Damit dies gelingt, muss er die erfahrene SPD-Kontrahentin Barbara Hendricks besiegen. Während die Bundesumweltministerin über die Landesliste abgesichert ist, kann Rouenhoff nur auf ein Direktmandat setzen. Dafür putzt er jetzt in seinem Wahlkreis Klinken. Von seinem Arbeitsplatz ist er freigestellt. "Sollte ich nicht gewählt werden, muss ich am Tag danach zurück an meinen Schreibtisch", sagt der Gocher. Vom Wirtschaftsministerium ist der Bundesbeamte als Handelsattaché nach Brüssel abgeordnet. Ein attraktiver Job in einer tollen Stadt. Aber etwas fehlt: "Ich möchte selbst gestalten, Themen setzen, Entscheidungen treffen. Als Teil der Administration führt man eher aus, was andere geplant haben." Wenn sich Rouenhoff an seine Jahre im Gocher Stadtrat erinnert oder wie es war, als Junge Union für ein Jugendheim zu kämpfen - das ist direkte Politik. Wenn das Wahlergebnis stimmt, möchte er Goch und dem Kreis Kleve bei ihrer weiteren Entwicklung helfen. Und dabei zwischen Berlin und dem Niederrhein pendeln. Rouenhoff wuchs als jüngster von drei Söhnen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auf und machte nach dem Abitur zunächst eine Bauzeichner-Lehre. Aber die Gespräche im Elternhaus und in der Schule, später mit den JU-Kollegen, setzten ihn auf eine andere Spur. Er nahm das Studium der Politikwissenschaft und Volkswirtschaft auf, ging ins Ausland, machte Praktika - und erreichte 2010 die erste wohlklingende Position: Referent im Bundeswirtschaftsministerium. Auch heute noch sind Handels- und Mittelstandspolitik seine Themen. Doch Stefan Rouenhoff versichert, sich auch für andere Themen zu interessieren und einsetzen zu wollen: für ethische Fragen, für Familienpolitik, für die bessere Integration (anerkannter) Flüchtlinge, für eine handlungsfähige Polizei, für ein stabiles Europa, für die Stärkung des ländlichen Raums. Mit Blick auf den 24. September setzt Rouenhoff, den es vor der AfD und ihren Parolen graut, natürlich auf einen Sieg seiner Partei und ergänzenden Stimmen der FDP. Die Große Koalition habe "die Ränder stark werden lassen". Der 38-Jährige polarisiere ungern, nennt sich pragmatisch. "Um etwas für die Menschen tun zu wollen, muss man nicht bei der SPD sein."

Stefan Rouenhoff ist 38 Jahre alt +++ geboren in Goch +++ gelernter Bauzeichner, studierter Volkswirtschaftler+++ CDU-Mitglied seit 1998 +++ eine Ratsperiode Stadtratsmitglied +++ heute Stadtverbandsvorsitzender der CDU in Goch.

Der Dauerwettstreit mit dem CDU-Abgeordneten Ronald Pofalla hatte ihre politische Arbeit im Kreis Kleve jahrzehnte lang geprägt. Pofalla, der stets als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzog, konnte sich zu seiner Zeit auf den "schwarzen" Kreis Kleve verlassen. Zum ersten Mal sieht Barbara Hendricks nun eine echte Chance, den Wahlkreis direkt zu gewinnen. Den vergleichsweise unbekannten Stefan Rouenhoff will sie hinter sich lassen. Es ist ein sportlicher Ehrgeiz, der sie antreibt, nötig wäre die Stimmenmehrheit nicht, denn das Mandat hat sie dank eines sehr guten Listenplatzes ohnehin sicher. Aber bei den Erststimmen Siegerin zu sein würde natürlich auch der Moral der Kreis-SPD gut tun, deren Selbstbewusstsein seit der letzten Kommunalwahl gewachsen ist. Hendricks setzt auf ihre Erfahrung und ihre Kenntnis des Kreises Kleve. In allen Kommunen war sie viele Male zu Gast, weiß, was die Menschen beschäftigt, hat zahlreiche Projekte jahrelang begleitet. Gewählt werden möchte sie dafür, dass mit der SPD die Finanzausstattung der Kommunen verbessert und ihre Investitionskraft nachhaltig gestärkt werde. Schulen sollen saniert und der Ganztag ausgebaut werden. Hendricks möchte, dass die Kommunen mehr Hilfen für die Integration von Flüchtlingen bekommen und die Pflege alter Menschen gut organisieren können. Als Ministerin hat die Kleverin nicht zuletzt mit dem Wohnungsbau zu tun, den sie vorantreibt — auch im Kreis Kleve fehlten günstige Wohnungen, etwa für Studenten und Geringverdiener. Barbara Hendricks sagt, dass sie sich für die Interessen der Bürger, der Kommunen und der Unternehmer gleichermaßen einsetze. Sie steht hinter dem Airport Weeze, möchte beim Ausbau der Betuwe viel Lärmschutz erreichen, engagiert sich für den Denkmalschutz und für soziale Projekte. Nicht nur Umgehungsstraßen für den motorisierten Verkehr sind ihr ein Anliegen, sondern ebenso der Radschnellweg Kleve-Nimwegen, den Bund und Land unterstützen, sowie weitere Radwege. Schließlich ist Hendricks Umweltministerin, was sie im Falle einer Fortsetzung der großen Koalition auch gerne bliebe. "In Gesprächen mit vielen Menschen habe ich erfahren, dass sich mehr Bürger um den Klimaschutz sorgen als um ihren Arbeitsplatz. Auch gesunde Ernährung und eine umweltverträgliche Landwirtschaft sind ihnen wichtig." Unter den sozialen Themen nennt Hendricks als vorrangig, das Renteneintrittsalter nicht weiter anzuheben. Und wie SPD-Kanzlerkandidat Schulz besteht auch sie auf Bildungsgerechtigkeit.

Barbara Hendricks ist 65 Jahre alt +++ geboren in Kleve +++ Lehramtsstudium +++ Promotion +++ seit 1972 Mitglied der SPD +++ 1994 erstmals in den Bundestag eingezogen +++Bundesumweltministerin seit 2013

Für die FDP ist der Wiedereinzug in den Bundestag greifbar: "Das Ergebnis im Land hat gezeigt, dass wir etwas bewegen können", sagt Ralf Klapdor. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler und Steuerberater ist Professor an der Hochschule Rhein-Waal und tritt für die FDP als Bundestagskandidat an. Der 48-Jährige lebt mit seiner Frau, den beiden Töchtern und seinem belgischen Schäferhund in Uedem, ist gebürtiger Niederrheiner und stammt aus Hüls. Es war die Partei von Otto Graf Lambsdorff und Gerhard Baum, für die sich Klapdor vor 25 Jahren entschied. Für die Partei, die die Überzeugung vom prinzipiellen Vorrang der individuellen Freiheit vertrat — für den Staatsbürger wie für den Unternehmer, für den Mensch, der seinen Glauben ungehindert bekennen oder seinen Mobilfunkanbieter ohne Schikanen wechseln will. Jene Partei, die seit der NRW-Wahl wieder Land sieht. Klapdor lernte Politik von der Pike auf, war Vorsitzender der Jungliberalen in Krefeld, wurde Chef der Kreistagsfraktion in Kleve und ist Vorsitzender der Kreis Klever FDP. Er möchte in Berlin für ein sicheres Europa eintreten, das gerade für die Euregio des Kreises wichtig sei, möchte den öffentlichen Personennahverkehr im Kreis ebenso fördern, wie die Digitalisierung. Für die Finanzierung der Schulen möchte auch er den Bund in die Pflicht nehmen. "Was SPD-Kandidat Schulz jüngst forderte, stand bei uns schon lange im Programm", sagt er. Als Freidemokrat habe man aber einen anderen Ansatz — zum Beispiel mehr Autonomie für einzelnen Schulen. Eine Schule im Kreis Kleve habe andere Schwerpunkte als eine in Berlin.

Nicht zum ersten Mal zieht Bruno Jöbkes für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestagswahlkampf. Schon 2009 und 2013 war der Wachtendonker im Rennen — freilich damals wie jetzt ohne Aussichten, das Direktmandat zu holen. In Krefeld-Hüls wuchs Jöbkes auf. Nach dem Abitur an der Liebfrauenschule Mülhausen und dem Zivildienst im Altenwohnheim Gatherhof studierte er von 1989 bis 1995 an der Uni Bonn und Gesamthochschule Essen Geographie mit Schwerpunkt Bodenkunde. Nach einer Weiterbildung folgte 1997 der Einstieg in die Firma Thönes und den Naturverbund. Seit 2001 leitet er zusammen mit Thomas Thönes diese Schlachterei in Wachtendonk und Bollewick an der Müritz. 1994 zog Thönes mit Frau und zwei Töchtern nach Wachtendonk. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied bei den Grünen. Die vertritt er seit 1999 im Gemeinderat. Seit Mai 2011 ist der 49-Jährige Sprecher des Grünen-Kreisverbandes Kleve, zunächst zusammen mit Birgitt Höhn, seit der Vorstandswahl 2017 mit Jessica Kruchem. Im Juni 2014 und April 2016 wurde er in den erweiterten Landesvorstand der NRW-Grünen gewählt. Gerechtigkeit ist ein wichtiges Thema für Jöbkes. "Starke Schultern müssen für eine solidarische Haltung gewonnen werden", forderte er bei der Kandidatenkür. In Berlin würde er sich um die Rahmenbedingungen für gesellschaftlich akzeptierte, tiergerechte und ökologischere Landwirtschaft kümmern. Für den Kreis will er eine notwendige andere Mobilität, etwa ein zweites Gleis für die Bahn nach Krefeld, will Radwege alltagstauglich modernisieren sowie Busverbindungen mit dem Bahnverkehr abstimmen.

Die Linke schickt Ferdinand Niemann ins Rennen. Der 24-Jährige, der aus Schleswig-Holstein kommt und in Kleve "Gender & Diversity" an der Hochschule Rhein-Waal studiert, engagiert sich gewerkschaftlich sowie für Hochschulpolitik und Flüchtlingsprojekte. Sorgen macht sich Niemann um die soziale Lage vieler Niederrheiner: "In kaum einem Kreis in NRW haben die Privathaushalte ein geringeres Einkommen als im Kreis Kleve. 7.000 der 45.000 hier lebenden Kinder sind von Armut betroffen", schreibt Niemann auf seiner Internetseite. Es brauche Einsatz, um die Herausforderungen der Zukunft zu stemmen. Stabilität wirtschaftlicher wie privater Art sei für die Menschen wichtig. Im krassen Kontrast zu den Bedürftigen stünden die Superreichen, die sich auf einem Vermögen ausruhten, das von den Arbeitern geschaffen worden sei. "Diese Realität ist weit von jeglicher sozialer Gerechtigkeit entfernt. Nur miteinander können wir die Verhältnisse, in denen wir leben, nachhaltig verbessern. Unsere Gegner fördern gesellschaftliche Missgunst und wirtschaftliche Ausbeutung." Der Linke möchte Vermögen gerechter verteilen und einen Mindestlohn einführen. Um einem Leben in Altersarmut vorzubeugen, sei ein Mindestlohn von zwölf Euro nötig. Die bisherigen 8,84 Euro, für die sich der "neoliberale" Martin Schulz (SPD) feiern lasse, seien nicht genug. In Kleve engagiert sich Niemann in der Flüchtlingshilfe und für die Hochschulpolitik, ferner unterstützt er die Volksinitiative zum Schutz des Wassers.

Gerd Plorin ist der Direktkandidat der Alternative für Deutschland (AfD). Der 67-Jährige war bis 2012 hauptberuflich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Emmerich, eine Tätigkeit, die er heute noch zeitlich eingeschränkt als Gesellschafter-Geschäftsführer ausübt. Der studierte Betriebswissenschaftler wurde in Engelsburg in Schleswig-Holstein geboren und wuchs in Kleve auf. Er ist mit einer Südkoreanerin verheiratet, hat zwei Söhne und ist mehrfacher Großvater.
Im Jahr 2013 wurde Plorin erstmals politisch aktiv: Bei der Gründung des AfD-Kreisverbands im Juni war er dessen erster Sprecher und trat noch im gleichen Jahr zur Bundestagswahl als Direktkandidat an. "Die AfD entsprach weitgehend meiner Überzeugung. Zu NPD und Republikanern wollte ich nicht gehen, alle anderen Parteien wollten den Euro", sagt der Materborner rückblickend und reißt damit gleichzeitig sein wichtigstes Anliegen an: die Rückkehr zur D-Mark. "Die Währungsfrage kostet uns Billionen Euro", betont Plorin. Sein zweites großes Thema ist die Migration: "Armutseinwanderung und unkontrollierte Einwanderung belasten den deutschen Staat mit Aufwendungen in Höhe von 25 bis 60 Milliarden Euro pro Jahr", rechnet der Steuerberater vor. Ein Dorn im Auge ist ihm auch die Energiewende: "Wir haben in Deutschland doppelt so hohe Energiekosten wie in Frankreich. Deshalb bin ich pro Atomenergie, die ich für hoch sicher halte", sagt der passionierte Segelflieger und Hobby-Rinderzüchter.
Für die Bundestagswahl rechnet er sich ein Ergebnis zwischen 5 und 8 Prozent aus.

(RP)
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