Kleve Befrijdungsmuseum zeigt Geschichte der SS

Kleve · Fotos, Filme, Biografien und Interviews mit Opfern und Tätern zeichnen Bild der Nazi-Organisation.

"Vielschichtiger Extremismus" heißt die Ausstellung im Nationaal Bevrijdingsmuseum in Groesbeek, die sich mit den Strukturen, der Geschichte und auch den gegenwärtig noch präsenten Mythen rund um die SS befasst. "Wir hatten die Idee, das weitverbreitete Bild, das viele Menschen von der SS haben, richtigzustellen. Die Schutzstaffel war keine Organisation nur der blonden, blauäugigen Crème de la Crème. Die Vorstellung des Holocausts, der sich nur in den Konzentrationslagern abspielt, ist nicht korrekt. Die Geschichte ist umfangreicher: Bevor die Vernichtungslager gegründet wurden, zogen Einsatzgruppen durch Osteuropa und ermordeten Millionen von Menschen in massenhaften Exekutionen. Danach wurden mobile Gaswagen eingesetzt, um das gleiche Ziel zu erreichen. Erst dann folgten die Vernichtungslager", erklärt Jory Brentjens, Historiker des Bevrijdingsmuseums.

Die Ausstellung wird als Mix aus Fotos, Filmausschnitten, Biographien und Interviews mit Tätern und Opfern präsentiert. Erklärende Textelemente vertiefen diese. Das Museum verzichtet auf viele symbolträchtiger Attribute wie Hakenkreuzflaggen oder SS-Logos, um einen möglichst nüchternen und umfangreichen Blick auf die Organisation der SS zu richten. Das Bevrijdingsmuseum erhebt mit der Präsentation den Anspruch, viele Facetten der SS-Vergangenheit zu beleuchten, die im Schatten des Mythos rund um eine erbarmungslose und straff geführte Einheit von KZ-Personal bestehend aus blonden Ariern zurückgeblieben sind. So bestand die SS aus Mitgliedern 30 verschiedener Nationen - und wird in der Ausstellung als "multikulturell" bezeichnet. Auch organisierte die SS archäologische Expeditionen nach Tibet. All das sind Aspekte der bizarren Welt der SS. Dabei balanciert die Ausstellung auf einem schmalen Grat: Das niederländische Zentrum für Information und Dokumentation Israels (CIDI) erhob schwere Kritik am Bevrijdingsmuseum: "Unbewusst und ungewollt verbreitet das Bevrijdingsmuseum jetzt einen Duft der Beschönigung über die SS", heißt es in einer Stellungnahme des CIDI.

"Uns war natürlich bewusst, dass dieses Thema ein sehr sensibles ist und die Aufmerksamkeit für die Ausstellung groß sein würde. Dennoch haben wir die Kritik in der Form nicht erwartet und wir halten sie auch für falsch. Es können keine Zweifel bestehen, dass die SS die bösartigste Organisation des Zweiten Weltkriegs ist. Und das wird in unserer Exposition auch widergegeben", sagt Brentjens.

Tatsächlich fehlt es an der ein oder anderen Stelle an Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Mythos um die SS. Das scheint sich auch das traditionsreiche Museum eingestanden zu haben: So verweist ein Textfeld auf eine "begriffliche Ungenauigkeit": "In dieser Ausstellung wird mehrfach der Begriff ,Mystik' verwendet, wo ,Okkult' bei näherer Betrachtung eher angemessen wäre." Auch der Begriff "multikulturell" im Zusammenhang mit der SS kann negativ aufstoßen. Mehrheitlich dürfte dieser Ausdruck in westlichen Demokratien als positiv konnotiert gelten. Multikulturell wurde die SS aus rein kriegsökonomischen Motiven geführt: An der Front und im KZ-Betrieb wurden dringend neue Vollstrecker gesucht.

Die Vorstellung verschiedener Biographien von Opfern und Tätern ist eindrucksvoll. Der Mythos der SS entstand durch skrupellose Verbrecher in vorderster Front, die Strukturen der Schutzstaffel aber wurden oft von spröden und blassen Figuren aufgebaut und aufrechterhalten. Auch die Kulisse geht unter die Haut: Ein dunkler Raum unterstreicht den dunklen Charakter des Ausstellungsgegenstands SS.

Noch bis zum 15. April im Bevrijdingsmuseum in Groesbeek. (Öffnungszeiten Mo.-Sa. 10-17 Uhr; So. 12-17 Uhr).

(RP)
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