Kleve Auf den eigenen Körper hören

Kleve · Die Zukunftswerkstatt der Rheinischen Post und der Volksbank Kleverland widmete sich dieses Mal der Frage: "Wie geht gesunde Ernährung?". Experten raten, auf das Bauchgefühl zu hören.

 Frank Rosar, Marc Cattelaens, Wolfgang Tyssen, Matthias Grass, Sabine Becker, Bruno Jöbkes, Andre Spittmann, Anna Janßen, Dennis Brüggemeier und Lara Jacobs-Schäffer, von links.

Frank Rosar, Marc Cattelaens, Wolfgang Tyssen, Matthias Grass, Sabine Becker, Bruno Jöbkes, Andre Spittmann, Anna Janßen, Dennis Brüggemeier und Lara Jacobs-Schäffer, von links.

Foto: Gottfried Evers

Der Volksmund sagt: "Du bist, was du isst". Demnach wären viele von uns ziemlich ignorante Vielfraße. Denn wir essen entweder zu viel oder zu häufig ungesunde, industriell hergestellte Lebensmittel. Oder beides. Bei der Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland diskutierten Experten darüber, was man an seiner Ernährung ändern kann.

Bruno Jöbkes, Grünen-Landtagskandidat und Geschäftsführer Großschlachterei Thönes in Wachtendonk, hat für sich ein gutes Ernährungs-Rezept entwickelt: "Zur gesunden Ernährung gehört es, in seinen Körper reinzuhorchen. Was schmeckt mir? Was tut mir gut?". Er weiß auch, dass manche dabei die Antwort "Pizza" oder "Pommes" zu hören meinen. "Manchmal spüre ich ungesunde Ernährung nicht sofort. Man muss wirklich in sich gehen. Das hilft jedenfalls mehr, als sich alles anzulesen und Kalourientabellen auswendig zu lernen", findet Jöbkes. Für ihn sind gesunde Produkte "möglichst naturrein, dann auch nicht so lange haltbar".

Sabine Becker, Leiterin Integratives Montessori Kinderhaus Reichswalde, betont, dass die Grundsteine für eine gesunde Ernährung im Kindesalter gelegt werden. Deswegen gibt es im Kinderhaus ein eigenständiges Ernährungskonzept für Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren. Die Kinder bringen keine Lebensmittel mit. Stattdessen bereiten die Erzieher mit den Kindern gemeinsam ein gesundes Frühstück mit viel Obst zu. Das Mittagessen wird auch nicht angeliefert, sondern von zwei Köchinnen täglich frisch zubereitet. "Wenn alle gesund essen, gibt das eine tolle Gruppendynamik. Dann mögen die Kinder plötzlich auch das, was sie zu Hause nicht essen", sagt Becker. Anna Janßen, Leiterin der St.-Michael-Grundschule in der selben Gemeinde, ist sich bewusst, "dass wir in Reichswalde ein Stückchen heile Welt haben. Zu Hause unterstützen die Eltern das, was wir morgens vorleben". Aber es gebe auch Ausnahmen. "Es gibt Kinder, die ohne richtiges Frühstück aber mit einer ,Milchschnitte' zu uns kommen. Diese Eltern wissen es aber auch nicht besser. Man muss da viel Elternarbeit machen", sagt Janßen.

Wolfgang Tyssen, Biolehrer am Konrad-Adenauer-Gymnasium, hat festgestellt, dass viele Kinder ihre Eltern "erziehen", was gesunde Ernährung angeht. "Sie sagen ihren Eltern, dass sie auch mal etwas anderes essen wollen als Fleisch. Sie möchten sich durch ihr Essen dokumentieren, auf bestimmte Stoffe verzichten", sagt Tyssen. Doch er schränkt auch ein: "Die Gesellschaft gibt uns nicht die Möglichkeit. Der Zuckerverbrauch ist viel zu hoch - und zwar weil viele industriell hergestellte Produkte in den Supermärkten viel zu viel Zucker enthalten." Anna Janßen gibt es Beispiel: "Gegen Schulmilch kommt man nicht an. Das ist gesüßtes Zeug mit Aromen, etwa Vanillemilch oder Karamellmilch, aber die Eltern fordern das ein. Das gehört für sie zu Schule wie Ferien. Wenn Kinder das konsumieren, ist Lernen jedoch kaum noch möglich"

Lara Jacobs-Schäffer, Ökotrophologin und Leiterin des Biomarkts Kleve, wehrt sich - erfolgreich. "In unserer Kita gab es viele Zuckerprodukte wie Plätzchen. Wir haben als Bioladen und Elterninitiative ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es auch anders geht." Man müsse mehr mit den Erwachsenen arbeiten, ihnen Kochen beibringen, damit sie ihre Kinder wieder gut versorgen könnten. Sie würde sich wünschen, dass die Deutschen mehr Geld für gesunde, hochwertige Lebensmittel ausgeben, wie es vor Jahrzehnten noch üblich gewesen sei. "Das Problem ist nicht, dass Bio zu teuer, sondern dass der Rest zu billig ist", sagt Jacobs-Schäffer. "Gerade Fleisch müsste mehr Wertschätzung erfahren", ergänzt Bruno Jöbkes. Dennis Brüggemeier, Geschäftsführer von Edeka Brüggemeier, hat Initiative ergriffen. "Wir zahlen unseren Auszubildenden ein Mal in der Woche das Essen in der Berufsschule. Dafür erwarten wir auch, dass sie gemeinsam essen."

Wenn das alles nicht hilft, sei die Politik gefordert, findet Sabine Becker. "Viele Schulen werden mit schlechter Nahrung beliefert. Überall gibt es Qualitätsstandards, aber nicht bei der Ernährung. Die Politik sollte Mindeststandards setzen." Dann könnte man vielleicht auch stolz sein, auf das, was man is(s)t.

(RP)
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