Kleverland 1000-facher Protest gegen Ärztemangel

Kleverland · Viele Eltern im Kleverland bekommen kaum noch einen Arzttermin für ihr Kind. Rund 1000 Menschen haben sich nun an einer Petition beteiligt. Unterstützung kommt von einem Arzt.

 Zu viele Patienten, zu wenige Termine. Eltern klagen immer öfter über Ärztemangel. 955 Unterzeichner hat die Online-Petition bereits.

Zu viele Patienten, zu wenige Termine. Eltern klagen immer öfter über Ärztemangel. 955 Unterzeichner hat die Online-Petition bereits.

Foto: Pixabay

Wolfgang Brüninghaus aus Kleve kann kaum fassen, was sich in den vergangenen Monaten öfter in seiner Praxis abgespielt hat. Völlig verzweifelte Eltern liefen dort auf und bettelten regelrecht darum, einen zeitnahen Termin für eine Vorsorgeuntersuchung oder eine Impfung für ihr Kind zu erhalten, sagt er. Bei ihrem Hausarzt sei das nicht möglich gewesen - zu viele Patienten, zu wenig Termine. Der Ärztemangel im Kleverland werde immer schlimmer.

Während die ärztliche Versorgung in Großstädten meist gut sei, sei sie in ländlichen Gebieten wie im Kleverland inzwischen mehr als schlecht, betont Brüninghaus. Zwar ist die Kreisstadt laut Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein mit Kinderärzten überversorgt. In der Praxis sehe das jedoch ganz anders aus, wie Brüninghaus - einer von zwei Kinderärzten in Kleve - berichtet: "Bei gleichem Versorgungsgrad muss ein Kinderarzt in Düsseldorf 1580 Patienten versorgen, in Kleve hingegen 2430. Die Folgen sind dramatisch: "Wir sind sehr stark ausgelastet und können nicht mehr alle Kinder versorgen, die uns vorgestellt werden. Das hat zur Folge, dass Eltern mit ihren Kindern weinend vor unserer Praxis stehen und nach Versorgung flehen", sagt Brüninghaus.

Diese Situation wollen viele Menschen nun nicht mehr hinnehmen. 14 Mütter haben sich zur "Elterninitiative Kleve - Mehr Kinderärzte für den Kreis Kleve" zusammengetan. Ziel ist es, dass jedes Kind in der Region bald einen Kinderarzt hat und nicht unversorgt bleibt oder von Allgemeinmedizinern behandelt werden muss. Die Initiative hat eine Petition erstellt, die sich an den Gemeinsamen Bundesausschuss richtet. Fast 1000 Menschen haben sich mit ihrer (digitalen) Unterschrift im Internet bereits daran beteiligt. Genau 955 waren es gestern, davon 835 aus dem Kreis Kleve.

In der Petition kommt der Protest gegen die Anwendung unterschiedlicher Verhältniszahlen zwischen Großstadt und Land bei der Definition von sogenannter Über- und Unterversorgung zum Ausdruck. Die Unterzeichnenden sehen darin "eine schwere und ungerechtfertigte Benachteiligung und Entwertung ihrer Krankenkassenbeiträge". In der Petition heißt es: "Kinderärzte auf dem Land sterben aus, und das muss gestoppt werden. Sie zahlen 100 Prozent Krankenkassenbeitrag, sind aber im Gegensatz zu Großstädtern benachteiligt, denn Sie bekommen nur 60 Prozent der gezahlten Leistung zu spüren. Wir fordern die Anpassung der ärztlichen Bedarfsplanung an die tatsächlichen Bedürfnisse der Patienten." Die Wut der Patienten lässt sich aus Kommentaren zur Petition herauslesen. Ein Beispiel: "Der Kreis Kleve hat generell zu wenig Ärzte und es ist eine Zumutung für Kinder, dass man bei Krankheit so weite Fahrten in Kauf nehmen muss, um irgendwo einen festen Arzt zu haben. Es ist überall Aufnahmestopp. Alles überlaufen. Darf nicht sein!"

Kinderarzt Brüninghaus unterstützt die Elterninitiative. Er sagt: "Als Kinderarzt sehe ich täglich Familien, deren Kinder nicht mehr ausreichend kinderärztlich versorgt werden. Die Politik versucht seit Jahren, das Problem unter den Teppich zu kehren. Ohne öffentlichen Druck wird es keine Hilfe für die Kinder geben." Während es in Kleve noch zwei Kinderärzte gibt, ist in Goch, Kalkar und Kevelaer jeweils nur einer ansässig. Brüninghaus betont, dass das Problem mit dem Ärztemangel nicht nur Kinderärzte treffe: "Bei anderen Fachärzten wie etwa Hals-Nasen-Ohren- oder Augenärzten ist das nicht anders. Man muss sich nur mal die Altersstruktur der Ärzte vor Ort ansehen. Das Problem wird sich verschlimmern, wenn die Politik nicht schnell dafür sorgt, dass junge Ärzte in den Kreis Kleve kommen."

(RP)
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