Kevelaer "Wanderhure": Gute Schauspieler, schlechte Musik

Kevelaer · Es ist das frühe 15. Jahrhundert. Die junge Frau Marie Schärer (Anja Klawun) wird der Spielball einer sadistischen Intrige, weil der Magister Ruppertus Splendidus (Johannes Schön) die Tuchfabriken ihres Vaters (Stefan Rihl) an sich reißen will. Sie wird erst verraten, vergewaltigt, erniedrigt und anschließend aus ihrer Heimat verbannt. Auf der Straße lernt sie die Freudenmädchen Hiltrud (Cécile Bagieu), Fita (Pia Kolb) und Berta (Eva Wittenzellner) kennen. Durch deren Hilfe wird Marie zur Wanderhure und sinnt auf Rache an all jenen, die ihr übel mitgespielt haben.

Das ist der besonders bei Frauen beliebte Inhalt des von der Schauspielgemeinschaft "Theaterlust" auf die Bühne gebrachte Theaterstück. "Die Wanderhure" von Daniel Hohmann basiert dabei auf dem Bestseller von Iny Lorentz und Motiven der Verfilmung.

Der künstlerische Leiter Thomas Luft schaffte es, der so tragischen wie intensiven Geschichte durch eine bewusst abstrakte Inszenierung neue Seiten abzugewinnen. Besonders das Bühnenbild von Erwin Kloker und Eva Lüps trug zu der eigenwilligen Stimmung bei: Unterschiedlich große Quader aus Metallstangen waren auf der Bühne verteilt und wurden dabei zum Visualisieren vieler Elemente benutzt: Sie waren die Materialisierung gesellschaftlicher Zwänge, persönliche Triebe, emotionale Fixpunkte und mobile Dekoration in einem. Da manifestierte sich in Windeseile ein satanischer Schauprozess mit wenigen Bewegungen der Stab-Quader, während der Graf von Keilburg (Reinhold Behling) durch die Verstrebungen seine Macht demonstrierte. Derweil war auf der hinteren Seite der Bühne stückweise ein durchsichtiger Vorhang gespannt, hinter dem immer wieder Figuren auf und ab traten und so wortwörtlich hinter den Kulissen die Fäden ziehen konnten.

Wo die bewusst zum Denken anregende Inszenierung etwas in Spielerei abglitt, war die Musikauswahl. Röhrende E-Gitarren waren noch die eine Sache, aber der "Huren-Rap" hätte sowohl von seiner Intention her, als auch von den unfreiwillig komischen Texten einfach nicht sein müssen. Aber über allem thronten die Darsteller, welche einfach nur phänomenal waren. Bis auf Hauptdarstellerin Anja Klawun traten alle Schauspieler auch in verschiedenen Rollen auf und überzeugten dort mit anderer Mimik, Körpersprache und Akzenten. Absoluter Star des Abends war Johannes Schön, der jede Szene mit Charisma und Energie an sich riss.

(cnk)
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