Weeze Liegeradfahrer trotzen ihrer Krankheit

Weeze · Die Initiative "Radfahrlust" kommt für eine Woche an den Niederrhein. Die Teilnehmer leiden an MS und haben bei der Aktion die Möglichkeit, zum ersten Mal seit Jahren Rad zu fahren. Die Touren starten von Wemb aus.

Fast 200 Meter lang ist er und wird wohl kaum zu übersehen: der Konvoi aus etwa 40 Liegeradfahrern, der sich in der kommenden Woche durch die Region schlängeln wird. Eine Woche lang, vom 18. bis 24. September, ist die MS-Selbsthilfegruppe "Radfahrlust" unter Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Alle Teilnehmer trotzen den Einschränkungen, die ihnen die Multiple Sklerose (MS) beschert. Sie wollen durch das Radfahren auf den Spezialrädern Lebensfreude, Eigenständigkeit und Unabhängigkeit wiedergewinnen. "Wir fahren nach Europa" haben sie ihre Tour überschrieben. Schon immer mal habe man an den Niederrhein gewollt. Jetzt habe es gepasst. Über private Kontakte nach Weeze haben die Teilnehmer Quartier im Bürgerhaus Wemb und im dortigen Pfarrheim gefunden.

Ohnehin würde die Region auch bestens zum Anliegen der Initiative passen. "Die Ziele, die die Euregio im deutsch-niederländischen Grenzgebiet verfolgt, sind auch unsere: Barrieren abbauen und Grenzen überwinden. Damit sind sowohl die eigenen physischen als auch jene Grenzen gemeint, die zwischen Menschen mit und ohne Handicap - meist nur in den Köpfen - bestehen.", sagt Klaus Vock (54), Initiator und Gründer der Selbsthilfegruppe "Radfahrlust".

Deshalb sind der Selbsthilfegruppe die Begegnungen mit den Menschen der Region, die sie erkunden, besonders wichtig. "Es geht uns um Inklusion und Toleranz - im engeren wie auch im weiteren Sinne. Übrigens ein Thema, das für all jene, die zurzeit in unser Land kommen, um menschenunwürdigen Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entkommen, ebenso bedeutsam ist wie für uns behinderte Menschen", führt Vock weiter aus. "Wir wollen mit unserer Tour ein Zeichen setzen: für ein Miteinander, das auf Offenheit und gegenseitigem Verständnis gründet, für ein geeintes Europa, für Integration statt Separation."

Die Spezialräder werden der Gruppe leihweise zur Verfügung gestellt. Liege-Dreiräder machen Menschen mit Gleichgewichtsproblemen, ja selbst halbseitig Gelähmten das Radeln wieder möglich - für viele Betroffene ein "Zurück ins Leben". Von diesem wiedergewonnenen großartigen Lebensgefühl wollen sie anderen berichten und vielleicht den einen oder anderen mit ihrer "Radfahr-Lust" infizieren.

"Viele Teilnehmer werden in Weeze zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder auf einem Fahrrad sitzen", sagt Vock. Viele hätten zu dieser Entscheidung einen längeren Anlauf gebraucht. Umso beeindruckender sei es daher, die Reaktionen zu sehen, wenn sie wieder mit dem Rad fahren. "Wenn man diese Freude sieht, dann sind das Momente, in denen du Gänsehaut bekommst. Es ist schön zu sehen, dass die Teilnehmer spüren: Es geht doch noch."

Von Weeze aus wird die Gruppe regelmäßig zu Sternfahrten am ganzen Niederrhein aufbrechen. Montagmorgen startet die erste kürzere Fahrt. Eins scheint sicher: Der Konvoi wird nicht zu übersehen sein und für Gesprächsstoff sorgen.

(RP)
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