Kempen Von Frühbalzern und Spätblühern

Kempen · Weil das neue Jahr nicht gerade winterlich-frostig beginnt, blühen in Gärten bereits die Buschrosen und der Löwenzahn, Springspinnen sind aktiv und die Vögel entwickeln langsam die ersten Frühlingsgefühle - im Winter.

 Eine Rose - in einem Nettetaler Vorgarten entdeckt - blüht kräftig auf im frühlingshaften Winterwetter.

Eine Rose - in einem Nettetaler Vorgarten entdeckt - blüht kräftig auf im frühlingshaften Winterwetter.

Foto: jobu

Von wegen Winter: Auch wenn's etwas kühler wurde seit den letzten Tagen des vergangenen Jahres, so legen doch manche Tiere und Pflanzen schon frühlingshaftes Verhalten an den Tag. Das können wir nicht nur an den Seen, in Wäldern und auf den Wiesen mit den vielen nordischen Gänsen als Wintergästen bobachten, sondern auch in Parks und Vorgärten mitten in der Stadt. Was einem übrigens sogar den Schlaf rauben kann, nicht nur der Mücken wegen, die ihre jahreszeitlich gebotene Zurückhaltung wieder abgelegt haben.

 Eine Buschrose noch kurz vor Silvester in Nettetal aufgenommen: Dass Winter ist, scheint sie nicht mitzubekommen.

Eine Buschrose noch kurz vor Silvester in Nettetal aufgenommen: Dass Winter ist, scheint sie nicht mitzubekommen.

Foto: jobu

Wer vor seinem Schlafzimmerfenster Büsche oder Bäume stehen hat, der braucht längst keinen Wecker mehr. Schon vor Sonnenaufgang nämlich zwitschern dort kleine gefiederte Störenfriede, was das Zeug hält. Immerhin auf eine kunstvolle Art, nett anzuhören das Trällern und Zwitschern. Von diesen skandinavischen Rotkehlchen, die bei uns überwintern, wissen wir, dass sie sich gerne von Straßenlaternen, die sie aus ihrer Heimat kaum kennen, als Sonnenersatz zum Singen animieren lassen.

 Löwenzahn am Straßenrand des "Königsbaches".

Löwenzahn am Straßenrand des "Königsbaches".

Foto: jobu

Doch wer genau hinhört, entdeckt in den vergangenen Tagen auch etwas dezentere, aber nicht minder hübsche Strophen: Einige heimische Rotkehlchen starten schon, angesichts fehlenden Frostes ein paar Wochen zu früh, ihren Balzgesang. Auch bei anderen Vögeln regt sich was in Sachen Frühlingsgefühlen, sie werden zu Frühbalzern: Im Grenzwald etwa war bereits zaghaft-lustvolles Trommeln von Spechten zu hören.

Und eine Etage tiefer, auf dem Boden, tut sich ebenfalls was. Wer dort seinen Vorgarten gern mit unnatürlich nackter und gekämmter, sprich geharkter Erde ziert, der muss sich entweder ärgern oder die winterliche Gartenpause unterbrechen und Wildkraut jäten: Vogelmiere wuchert, hier und da blüht sogar Löwenzahn, als wäre noch Herbst. Unter den Ziergewächsen blühen vor allem Buschröschen richtig auf. Was freilich so ungewöhnlich gar nicht ist.

"Viele Pflanzen legen noch mal nach als Spätblüher", erläutert Norbert Neikes von der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Der Botaniker weiß diesem Phänomen sogar eine scherzhafte Note abzugewinnen: "Die Pflanzen erleben jetzt sozusagen ihren zweiten oder dritten Frühling." Und das diesmal sogar zum Jahresbeginn, schön zu sehen auch an Straßenrändern oder Baumbeeten.

Wobei die Pflanzen sich laut Neikes wahrscheinlich ganz umsonst ans Blühen machen: "Die Samen haben um diese Jahreszeit kaum eine Chance." Es sei, es käme wirklich kein Frost mehr. Einen Zweck jedoch erfüllen die Samen allemal - sie dienen all den Vögeln als Nahrung. die jetzt durch unsere Parks und Gärten streifen und flattern. Finken vergesellschaften sich, Stieglitze, Grünlinge und Buchfinken sind gemeinsam auf Nahrungssuche, finden derzeit reichlich Körner und eben Samen.

Wer als Vogel mehr auf Insekten, Weichtiere und Spinnentiere steht, muss in diesen Tagen auch nicht darben: Tiere, die sonst in Winterstarre in der Erde, in der Laubstreu oder in Mauerritzen verharren, lugen wieder hervor. Schildwanzen wurden in dieser Woche in einem Garten in Kaldenkirchen beobachtet, auf Holzpfählen huschen Zebraspringspinnen umher. Manch ein Marienkäfer und manch ein Falter traut sich wieder aus den Wohnungen, die eigentlich als Winterquartier dienen sollten, hinaus ins Freie.

Sie alle werden sich umstellen müssen, falls doch noch starker Frost einsetzt. Einigen Vögeln indes tun die zu warmen Tage gut: Finden etwa Eulenarten und Eisvögel sonst in harten Wintern mitunter zu wenig Nahrung, was ihre Population dezimieren kann, so dürfte sich ihr Bestand nun etwas erholen.

Wie viele und welche Vögel sich überhaupt balzend oder singend oder futternd im noch jungen neuen Jahr tummeln, lässt sich in unseren Gärten und Parks bei noch fehlendem Laub im Geäst gut beobachten. Weshalb der Naturschutzbund (NABU) einlädt zur Vogelzählung unterm Motto "Stunde der Wintervögel".

Wer mitmacht, entdeckt vielleicht außer Hauben-, Blau- und Kohlmeisen sogar die selteneren Schwanzmeisen. Dass sich diese Meisenarten jetzt in Trupps zusammentun, ist typisch für diese Jahreszeit: Zu warme Temperaturen hin oder her, es ist eben doch Winter.

(RP)
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