Stadt Kempen Steine als Mahnung - gegen das Vergessen

Stadt Kempen · Auf der Schulstraße in der Kempener Altstadt wurden weitere Stolpersteine verlegt. Sie sollen an jüdische Bürger erinnern, die dem Nazi-Terror zum Opfer gefallen sind. Schüler hatten die Veranstaltung mit vorbereitet und gestaltet.

 Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt die neuen Gedenksteine für die Opfer des Holocausts im Straßenpflaster der Schulstraße.

Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt die neuen Gedenksteine für die Opfer des Holocausts im Straßenpflaster der Schulstraße.

Foto: WOLFGANG Kaiser

Es war schon beeindruckend, wie still die Menschen in der Schulstraße wurden. Schüler vom Thomaeum, dem Luise-von-Duesberg-Gymnasium, der Erich Kästner Realschule, der Martin-Schule sowie dem Rhein-Maas-Berufskolleg verlegten gemeinsam mit Gunter Demnig Stolpersteine, die an die jüdischen Bürger Rudolf, Selma, Ilse und Herbert Bruch, Abraham, Helene, Rosa und Leo Goldschmidt sowie Andreas Lambertz und Sofie Buchdahl erinnern sollen.

Die Schüler hatten sich im Vorfeld gründlich mit der Geschichte der Opfer des Holocausts, mit Kempenern, die verschleppt wurden, in Konzentrationslagern umkamen, beschäftigt. Gesa Hauf, 16-jährige Schülerin des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums, sagte, wie sehr sie dieses Geschehen bewegt. Die Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels deutscher Geschichte sei ihr sehr wichtig, betonte sie. Und sie fügte hinzu: "Ich werde nie aufhören, das zu predigen."

 Zur Einführung sprach die Sprecherin der Kempener Stolperstein-Initiative, Ute Gremmel-Geuchen, (rechts) vor dem Haus Schulstraße 9. Das Interesse der Bürger war groß. Vor allem viele Schüler waren gekommen. Sie trugen selbst Texte vor.

Zur Einführung sprach die Sprecherin der Kempener Stolperstein-Initiative, Ute Gremmel-Geuchen, (rechts) vor dem Haus Schulstraße 9. Das Interesse der Bürger war groß. Vor allem viele Schüler waren gekommen. Sie trugen selbst Texte vor.

Foto: Kaiser Wolfgang

Während Demnig die Steine im Pflaster verlegte, erzählten die Schüler die Biografien der Familien. Es waren ganz normale Nachbarn der Kempener, bis sie auf einmal als Juden, als die mit dem gelben Stern auf dem Mantel, ausgegrenzt wurden. Bis dahin waren sie angesehene Bürger in der Stadt: Viehhändler oder Kaufleute, die mitten im Leben standen. Den Schülern war anzumerken, dass sie alle selbst angerührt waren. Sie hätten viel recherchiert - im Internet oder auch im Archiv, berichteten sie. Und sie gaben ihr Wissen weiter über ein Leben im Lager, drei oder vier Tage ohne Essen. Auch die Deportation zuvor kam zur Sprache: Die Menschen wurden im alten Hohenzollernbad an der Burgstraße eingesperrt, um am nächsten Tag abtransportiert zu werden. Selbst dort konnten sie nicht zur Ruhe kommen, weil ein sadistischer Nazi-Scherge sie ständig zum Appell aufrief. Der einzige Polizist, der sich dem verweigerte, Ludwig Overdieck wurde als Soldat in den Krieg geschickt und überlebte dies nicht. Auch diese Information haben die Schüler in den Archiven gefunden.

Auch für Simon Schünk war es gestern kein normaler Nachmittag. Der 17-Jährige arbeitet beim städtischen Baubetriebshof und half beim Verlegen der Steine mit. Dies sei kein normaler Auftrag für ihn, sagte er. Geschichte so hautnah zu erleben, das sei ihm eine Herzensangelegenheit. Dem stimmte auch Bürgermeister Volker Rübo zu. Er mache jeden Tag die Erfahrung, dass die Kempener nicht unachtsam an den Stolpersteinen vorbei gehen, meinte er.

Dies betonte auch Ute Gremmel-Geuchen von der Initiative "Projekt Stolpersteine". Wie die Schüler sagte sie, dass man immer wieder erinnern und mahnen müsse, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe. Jede Stimme gegen die Verbreitung rechter Gedanken sei wichtig, hatten die Schüler gesagt. Das bestätigte auch Michael Wagner von der jüdischen Gemeinde aus Krefeld, der es sehr wichtig fand, dass junge Leute diese Initiative ergriffen hatten. Bereitwillig beantwortete er auch ihre Fragen zum Leben von Juden heutzutage in Deutschland. Es gebe immer wieder Phasen, wo Antisemitismus zu spüren sei. Natürlich beobachtet er Vorgänge wie das Verbrennen der israelischen Flagge in Berlin kürzlich mit Sorge, aber er wisse auch, dass die Täter aus dem muslimischen Glauben kämen und mit Antisemitismus aufgewachsen wären. Aber das sei Politik, nicht Religion. betonte Wagner. Klug gewählt hatte er die Psalmen, die er auf hebräisch vorlas: Psalm 15 und 23. Sie beginnen mit "Herr, wer wird wohnen in deiner Hütte" und "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln". Sehr versöhnliche Worte am Ende der besinnlichen Stunde auf der Schulstraße.

(sr)
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