Jürgen Steinmetz Neuer IHK-Chef: "Hauptsitz bleibt in Krefeld"

Kempen · IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz (47) spricht zu seinem Amtsantritt unter anderem über den Wirtschaftsstandort Krefeld.

 Jürgen Steinmetz, neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, beim Interview in seinem Büro am Nordwall.

Jürgen Steinmetz, neuer Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, beim Interview in seinem Büro am Nordwall.

Foto: Thomas Lammertz

Seit vier Monaten sind Sie als stellvertretender Hauptgeschäftsführer im Amt, seit wenigen Tagen nun als erster Mann. Was sind die überraschendsten Erkenntnisse bisher?

Jürgen Steinmetz Ich hatte erwartet, dass ich gut und schnell in die Themen reinkomme, mir weniger bekannte Akteure und die Region noch besser kennenlerne. Meine Erwartungen haben sich sehr erfüllt, darüber freue ich mich sehr.

Bisher haben Sie als Vertreter des Landrats des Kreises Neuss gearbeitet. Mussten Sie sich umstellen?

Steinmetz Ich habe mich schon während meiner Zeit beim Rhein-Kreis intensiv um Themen wie Wirtschaft und Planung gekümmert, mit Themen, die auch für die IHK von großer Bedeutung sind: Interessenvertretung gegenüber Politik und Verwaltung, Dienstleistungen für Unternehmen sowie Bildung - das sind nur einige Stichworte.

Wie lange stand fest, dass Sie IHK-Hauptgeschäftsführer werden? Sie haben es ja lange geheimhalten können - das ist nicht branchenüblich.

Steinmetz Gut, nicht wahr?

Naja, als Journalist kann ich Sie jetzt nicht für Geheimhaltung loben.

Steinmetz (schmunzelnd): Wirklich fest stand es erst seit dem 28. August 2014, seit der Wahl der Vollversammlung. Sie können aber sicher sein, dass ich ein paar Tage vorher damit gerechnet habe: Wenn Du Dich ordentlich vorstellst in der Vollversammlung und das Vertrauen der Mitglieder gewinnst, wirst Du auch die Stimme bekommen.

Wie kam es zum Kontakt zur IHK?

Steinmetz Das war ein formales Verfahren. Eine Personalberatung, die Firma Kienbaum, suchte bundesweit. Es gab 80 identifizierte Personen, die nach den aufgestellten Kriterien in Frage kamen. Es ist immer weiter selektiert worden.

Was war der wertvollste Tipp, den Ihnen Ihr Vorgänger Dieter Porschen mitgegeben hat?

Steinmetz Er hat sich mit Tipps sehr zurückgehalten, weil er gesagt hat: Es kommt ein neuer Mann mit anderer Perspektive und Biografie, der wird schon wissen, was er tut. Das fand ich sehr fair und hilfreich.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Steinmetz Ich sehe die Kammer hier sehr gut aufgestellt. Das Bewährte fortzuführen, neue Impulse zu geben, ist mein Ziel. Zum Beispiel die Interessenvertretung zu stärken. Es wird in Kürze ein Treffen mit den Bundestagsabgeordneten geben, um Themen von regionalem Interesse zu besprechen. Mir liegt auch am Herzen, die teilregionale Wahrnehmbarkeit der IHK zu stärken, zum Beispiel im Kreis Viersen. Wir wollen die Metropolregion Rheinland entwickeln und auch den Austausch mit den Mitgliedern intensivieren. Wir wollen noch deutlicher machen, welchen Nutzen unsere Mitglieder von unseren Dienstleistungen haben.

Die IHK hat noch andere Teilstandorte. Sie haben ja wegen Ihres Wohnorts Kaarst und der Arbeit dort einen viel engeren Kontakt in den Kreis Neuss. Stand für Sie die Frage im Raum, in eine andere Stadt zu gehen?

Steinmetz Ich halte an Krefeld fest. Die IHK Mittlerer Niederrhein verfügt über drei Standorte. Ich wäre frei, mein Büro am Standort Mönchengladbach oder Neuss zu wählen. Aber ich bleibe hier.

Weil es hier in Krefeld das schönste Büro gibt?

Steinmetz Nein, weil sich Krefeld als Sitz des IHK-Hauptgeschäftsführers bewährt hat und wir eingespielte Organisationsstrukturen haben. Übrigens: Ich habe in meinen ersten Monaten deutlich mehr Termine in Krefeld und Mönchengladbach gehabt, den Kreis Neuss kenne ich ja bereits.

In Krefeld baut die IHK gerade ein großes Prüfungs- und Weiterbildungszentrum. Wie lässt sich das nutzen?

Steinmetz Bildung wird ein großes Thema sein. Den Akademisierungswahn halte ich für falsch. Die Jugendlichen werden in die Hochschul- und Fachhochschulbildung gedrängt, getrieben von teilweise unsinnigen Anreizsystemen. Auf der einen Seite werden den Hochschulen hohe Prämien für jeden Studenten gezahlt, auf der anderen Seite ist die Ausstattung der Berufsschulen alles andere als optimal.

Der IHK-Bezirk Mittlerer Niederrhein ist in seiner Struktur keinesfalls homogen. Mit Krefeld gibt es eine Stadt, die mitten im Strukturwandel steckt. Der Kreis Neuss aber boomt. Welche Herausforderungen bringt dies für Ihr Amt?

Steinmetz Erstens empfinde ich das als ausgesprochen spannend, muss aber auch sagen: Diese zurückhaltende Bewertung von Krefeld teile ich nicht. Krefeld nehme ich ausgesprochen positiv wahr. Die Stadt und die Region insgesamt haben allen Grund, noch mehr Selbstbewusstsein und Optimismus an den Tag zu legen. Wir spielen mit der Region in der Champions League, was Wirtschaft und Entwicklung angeht. Gleichwohl ist richtig, was Sie sagen: Der Strukturwandel ist noch nicht abgeschlossen.

Hat sich das ausreichend in Beschäftigungsverhältnissen ausgewirkt?

Steinmetz Wenn ich in die Statistik schaue, haben wir in Krefeld ein Rekordniveau der sozialversicherungspflichtigen Jobs, einen Rückgang der Arbeitslosigkeit und einen deutlichen Beschäftigungszuwachs in der Logistik. Nur zur Verdeutlichung: Ich vertrete bei der IHK in Krefeld 13550 Mitgliedsunternehmen mit rund 85 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Allein das verarbeitende Gewerbe in Krefeld erzielte 2014 einen Gesamtumsatz von 8,7 Milliarden Euro.

Welche Perspektiven sehen Sie konkret für Krefeld?

Steinmetz Es gibt Dinge, die man noch stärker forcieren kann. Wir sind gut beraten, die Infrastruktur so zu bauen, dass sie attraktiv ist für Unternehmen. Die Wirtschaft ist dann kreativ genug, ein gutes Angebot auch zu nutzen. Übersetzt heißt das: Wir brauchen ein Mehr an Gewerbeflächen. Konkret: Wir brauchen das interkommunale Gewerbegebiet diesseits und jenseits der A 44. Ein interkommunales Gewerbegebiet allein auf der Fläche von Meerbusch kann ich mir nicht wirklich vorstellen, weil es die Begeisterung von beiden Seiten braucht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das über den Regionalplan erreichen.

Es hat schon Gespräche gegeben?

Steinmetz Guten Argumenten kann man sich nicht verschließen. Wir sind laufend im Gespräch. Ausbaufähig ist auch die touristische Vermarktung Krefelds und der Region. Der Niederrhein liegt im Vergleich der touristischen Destinationen in NRW auf Platz zehn von elf. Wir müssen in der Vermarktung einen Zusammenschluss am Mittleren Niederrhein angehen, mit Krefeld, Mönchengladbach, dem Rhein-Kreis Neuss und natürlich auch dem Kreis Viersen, gerne auch mit Kleve und Wesel. Wir könnten da in der Region besser unterwegs sein. Dasselbe gilt für die Krefelder Hafenerweiterungen: Auch die muss man im Blick haben.

Krefeld hat kein Geld. Kann man sich ein Modell vorstellen, bei dem die Firmen in Vorleistung gehen?

Steinmetz Innovative Ansätze sind immer gut. Aber staatliche Aufgaben dürfen nicht auf Unternehmen und Bürger abgewälzt werden. Das ist eine klare öffentliche Aufgabe. Die Unternehmen reagieren mit Ansiedlung und Beschäftigung.

Hat die Verwaltung die Interessen der Wirtschaft ausreichend im Blick?

Steinmetz Nun ja, für besonders kreativ habe ich es nicht gehalten, die Gewerbesteuererhöhung, die einst bei 483 Punkten liegen sollte und nun bei 480 Punkten liegt, als Erfolg zu feiern. Ich würde mir für Krefeld einen anderen Platz 1 wünschen als den des höchsten Gewerbesteuerhebesatzes in der Region.

Wird das Firmen in die Bredouille bringen, Arbeitsplätze kosten?

Steinmetz Es ist eine zusätzliche Last, die die Unternehmen zu stemmen haben. Das darf man nicht verkennen. Wenn ich als Unternehmer eine Standortentscheidung zu treffen habe und dann feststelle, dass Infrastruktur fehlt, knappe Gewerbeflächen eine Erweiterung verhindern und die Gewerbesteuer zu hoch ist, dann werde ich mich für einen anderen Standort entscheiden, weil ich die negativen Punkte in Summe nicht ignorieren kann.

Zu Ihnen privat. Sie wurden in Krefeld geboren.

Steinmetz Ich bin in den Städtischen Kliniken zur Welt gekommen und habe in Fischeln die ersten vier Lebensjahre verbracht. Danach sind meine Eltern nach Kaarst gezogen. Seit 1993 bin ich verheiratet.

Was macht ein IHK-Chef, wenn er nicht arbeitet?

Steinmetz Gelegentlich Sport, ich jogge, spiele manchmal Golf. Zuletzt haben wir mit 17 IHK-Mitarbeitern bei Run & Fun mitgemacht. Früher habe ich auch viel Fußball gespielt. Da gibt es sogar noch eine Verknüpfung nach Krefeld. Mein ehemaliger Trainer beim VfR Neuss war Peter Czech, der früher Trainer beim KFC war.

Und Sie sind großer Gladbach-Fan, las ich in Vorbereitung dieses Interviews.

Steinmetz Fußball ist meine große Leidenschaft. Und hier (zeigt auf ein großes Bild an der Wand) wird demnächst ein Austausch stattfinden. Zu Hause habe ich noch ein Trikot mit den Unterschriften von Borussia Mönchengladbach. Das wird bald hier hängen.

RP-REDAKTEUR SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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