Mönchengladbach Museum präsentiert das Kulturgut Apfel

Mönchengladbach · Die aktuelle Ausstellung im Museum Abteiberg Mönchengladbach ist nicht nur für die Apfelstädter aus Tönisvorst einen Ausflug wert: Die polnischen Künstler Antje Majewski und Pawel Freisler setzen dem Apfel kulturhistorische Denkmäler.

 Pawel Freisler, Apple n°28. Dieser getrocknete Apfel hat unglaubliche Strukturen herausgebildet. Der 73-jährige polnische Künstler aus Malmö interessiert der Alterungsprozess des Apfels.

Pawel Freisler, Apple n°28. Dieser getrocknete Apfel hat unglaubliche Strukturen herausgebildet. Der 73-jährige polnische Künstler aus Malmö interessiert der Alterungsprozess des Apfels.

Foto: Piotr Zycienski

Im alttestamentlichen Kontext verbindet sich mit dem Apfel die Vorstellung einer verbotenen Frucht - Stichwort: Adam und Eva. Und wohl nicht zufällig ist der lateinische Wortstamm des uralten Kulturobstes, "malus", identisch mit "malum", dem "Bösen", vor dem Christen im Vaterunser Schutz erbitten. "Der Apfel. Eine Einführung (Immer und immer und immer wieder)" heißt die Ausstellung, die im Museum Abteiberg in Mönchengladbach gleichsam auf einen imaginären Baumstock aufgepflanzt wird. Das skurrile Konzept haben die Künstler Antje Majewski aus Berlin (46) und Pawel Freisler (73), ein in Schweden lebender Pole, zusammen mit Kollegen bereits vor einem Jahr im Muzeum Sztuki im polnischen Lodz realisiert. "Wir bringen jetzt die Wiederaufführung im Museum Abteiberg", informiert dessen Sprecher Uwe Riedel.

Das rein künstlerische, ästhetische Interesse an diesem Projekt erfährt eine außergewöhnliche Verlängerung in die Bereiche Kulturgeschichte, Ökologie und Agrikultur. Der Apfel wird als zentrales Element der Ernährung gefasst. "Über den Apfel kann man erzählen, wie wir mit Nahrungsmitteln umgehen", sagte Antje Majewski, Professorin für Malerei an der Muthesius-Kunsthochschule Kiel, beim Rundgang durch die Ausstellung.

 Jimmie Durham, Apfelsaftflasche, 2012, für die Documenta 13.

Jimmie Durham, Apfelsaftflasche, 2012, für die Documenta 13.

Foto: AM

Ihre Motivation für den Apfel habe Kollege Freisler ausgelöst, erklärt sie, von dem bekannt ist, dass er einen "mysteriösen" Garten sein Eigen nennt. Majewskis Interesse geht weit über kunstfachliche Bestrebungen hinaus. Sie hat sich beeindruckende Kenntnisse über Apfelzucht, insbesondere die von ihr propagierte Wiederbelebung alter und uralter Sorten, angeeignet. Da verbinden sich Biologie, Ökonomie, Geschichte und eben Kunst zu etwas Neuem.

Und das geht so: Im großen Wechselausstellungsraum hängen schlichte Majewski-Bilder von Äpfeln, gern aufgeschnitten und Teile ihres Innenlebens offenbarend. Ein großformatiges Stillleben zeigt den Querschnitt einer Frucht, wobei das fünfgliedrige Kerngehäuse freigelegt ist. Davor lagern in Vitrinen geschnitzte Apfeltorsi aus der Werkstatt Pawel Freislers. Hier definiert das Prinzip Ornament das Nahrungsmittel ganz neu. Einige schrumpelige Früchte hat Piotr Zycienski in Fotos festgehalten. Und ein 3D-Drucker hat einen Apfel in weißem Kunststoff produziert: ein digital entwickelter Klon. "Der Druckprozess dauert zehn Stunden", meldet Riedel, der bedauert, dass Besucher das Entstehen dieser Klone nicht bis zum Ende mitverfolgen können.

All dies ist ebenso spannend wie die Videofilme, die an Monitoren in der Halle und im Audiovisionsraum Wissenswertes über Apfelanbau, Bestäubung, Setzen von Sämlingen und den Baumschnitt in Apfelkulturen preisgeben.

An die Kasseler Documenta 13 (2012) erinnern einige Flaschen, gefüllt mit Apfelsaft, die der amerikanische Konzeptkünstler Jimmie Durham (Jahrgang 1940) mit Etiketten versehen hat. Sie zitieren humoristisch das berühmte Bild "Le déjeuner sur l'herbe" von Manet. Statt Männern begegnen der nackten Dame allerdings ein Wolf und ein Bär. Und Bären gelten seit jeher als ausgefuchste Kenner leckerer Wildäpfel, weiß Antje Majewski.

Eine politische Zielrichtung schlägt die Schau auch ein. Antje Majewski, die für ihre Projekte eine imaginäre "Gimel-Welt" beschwört, die sie nach dem dritten Buchstaben des hebräischen Alphabets benannt hat, bedauert, dass die Agrarindustrie die Sortenvielfalt des Apfels durch permanentes Klonen auf wenige Arten reduziert hat.

(RP)
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