Stadt Kempen Mit Tango und Bach in die Nacht

Stadt Kempen · Star-Bandoneonist Per Arne Glorvigen verzauberte mit seinem Trio die Besucher der Nachtmusik in der Paterskirche. Immer wieder gab es improvisierende Einsprengel zu hören.

Wenn im Dunkel der Nacht kleine Gruppen von Kempenern mit Hockern, Klappstühlen, Decken oder Sitzkissen bepackt durch die Altstadt huschen, Regen und Sturm trotzend dem Kulturforum zustreben, dann ist Nachtmusik-Zeit. Diesmal war beim besonderen Konzert-Format in der Paterskirche besonders viel los. Per Arne Glorvigen, "Mister Bandoneon" der Tango-Klassik-Szene, hatte sich mit seinem Trio angesagt, für ein Stündchen im Kloster Musik zu machen. Da geht schon die Vorfreude in die Beine.

Glorvigen ist als Gesprächspartner so ungemein charmant und quicklebendig humorvoll wie später auf seinem Knopfakkordeon. Im Kreuzgang des Museums zitiert er den berühmtesten Satz des aus Krefeld stammenden Erfinders seines, des typischen Tango-Instruments: "Mein Name ist Band, Heinrich Band". Und schließt Anekdoten aus seinem Leben an, das in der (wirklichen) Tango-Hochburg Norwegen begann und ihn über Paris zu den Größen des Tangos führte. Selbst zu Astor Piazzolla, dem Urvater der argentinischen Spielart dieser, man muss schon sagen: Tanz-Religion. In der Paterskirche sitzen, hocken und stehen die Zuhörer nah an der Bühne und erleben im einleitenden Bach-Choral, dass das Bandoneon auch deshalb erfunden wurde, weil man einen handlichen Ersatz für die Orgel (in armen Kirchlein, auf hoher See) brauchte. Dann aber macht Glorvigen einen Doppelpunkt und lädt seine Partner zum Mittun ein. Daniela Braun an der Geige verführt er regelrecht zu einem musikalischen Wechselspiel, das in seinem Geben und Nehmen die Erotik des Tanzens auf die Instrumente überträgt. Oder umgekehrt. Tango mit anderen Mitteln. Als dann Arnulf Ballhorn auf seinem Kontrabass einfällt in dieses Techtelmechtel, ist plötzlich der Rhythmus körperlich, dem die Musik gehorcht. Seine Impulse, auch wenn sie synkopisch den Takt aus dem Gleichgewicht bringen, sind so genau, so wach und flexibel, dass es sich bestens darüber improvisieren lässt. Glorvigen zaubert mit den Knöpfen so virtuos, dass einer abspringt und geleimt werden muss. Er legt dazu die Stirn in Falten, spannt die Mundwinkel zum breiten Grinsen, gluckst mit den Augen, dass es eine Freude ist. Braun erklimmt schwelgerisch die Höhen der tiefen G-Saite, zirpt in Flageoletts, berserkert bis zum Abrocken. Und da sind immer wieder diese improvisierten Einsprengsel, in denen leise Hinweise auf das zweite Element dieses nächtlichen Musizierens versteckt sind: Bachs "Kunst der Fuge". Ja, die drei Musiker haben einige der Kontrapunkte aus Bachs Meisterwerk für sich adaptiert und interpretieren sie bei aller Strenge ganz wunderbar beschwingt und musikantisch.

Dieser gelungene Abend in der Paterskirche streift die Größen des Tango wie en passant, findet am Schluss zu zwei Tango-Fugen Piazzollas. Und in den Zugaben erweist sich eine sehr relaxte Geigerin sogar als Haifischbecken-tauglich. Ovationen, Sturm und Regen beim Nachhauseweg.

(KA02)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort