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Kreis Viersen Mit Mitte 50 zum neuen Job

Kreis Viersen · Ältere Arbeitslose haben es im Kreis Viersen schwer, eine neue Stelle zu finden. Viele Arbeitgeber haben Vorbehalte. Doch es gibt auch Unternehmen, die auf Berufserfahrung setzen.

 Unternehmer Bernd Weyers (rechts) und Mitarbeiter Dietmar Schneider (vorne) zeigen Dirk Strangfeld von der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen Schneiders Arbeitsplatz.

Unternehmer Bernd Weyers (rechts) und Mitarbeiter Dietmar Schneider (vorne) zeigen Dirk Strangfeld von der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen Schneiders Arbeitsplatz.

Foto: Jörg Knappe

Von seinem Schreibtisch aus hat Dietmar Schneider freie Sicht auf die Viersener Josefskirche. Er schaut durch eins der hohen Fenster in der ehemaligen Baumwollspinnerei an der Ringstraße, dann blickt er sich in dem modern eingerichteten Büro um. "Es ist wirklich schön hier", sagt er. "Das ganze Arbeitsumfeld ist toll." Seit dem 2. Januar ist der 55-Jährige bei Vorsorgeberater Bernd Weyers angestellt. Weyers hat seinen Unternehmenssitz im Dezember von Düsseldorf in seine Heimatstadt Viersen verlegt, dort baut er ein Team rund um Vorsorgemanagement und Ruhestandsplanung auf. Er wandte sich vor ein paar Wochen an den Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen und fragte ausdrücklich nach passenden Bewerbern, die 50 Jahre oder älter sind. So etwas komme leider viel zu selten vor, sagt Dirk Strangfeld, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit. 35,2 Prozent aller Erwerbslosen im Bezirk sind 50 Jahre oder älter. Die Zahl sinke zwar, sei aber im Vergleich zu anderen Bezirken in Nordrhein-Westfalen hoch.

Insgesamt waren in Krefeld und dem Kreis Viersen im Januar 22.671 Männer und Frauen (8,1 Prozent) arbeitslos gemeldet. Das waren 866 mehr als im Vormonat, aber weniger als im Januar 2017 (23.552; 8,5 Prozent). Im Kreis Viersen lag die Arbeitslosenquote im vergangenen Monat bei 6,4 Prozent (10.208 Personen), im Dezember waren es 6,1 Prozent, vor einem Jahr 6,8 Prozent. "Mit dem Anstieg im Vergleich zum Vormonat war saisonal bedingt zu rechnen", erläutert Strangfeld. Das Quartals- und Jahresende sei immer noch ein typischer Kündigungstermin, zudem liefen nach dem Weihnachtsgeschäft befristete Verträge im Einzelhandel aus. Doch: "Der gemeldete Stellenbestand mit 4797 offenen Stellen zeigt weiter die Aufnahmefähigkeit des Marktes", sagt Strangfeld

Vor allem jüngere Arbeitslose hätten in den vergangenen Monaten von der guten Stellensituation profitiert, erläutert Strangfeld. Hinzu komme, dass zwei Drittel der Auszubildenden von den Ausbildungsbetrieben direkt übernommen würden. "Vier Fünftel finden sofort eine Anschlussbeschäftigung." Bei den älteren Arbeitslosen sei der Trend "in der Langzeitbetrachtung" jedoch ein anderer. "Wir haben in Viersen und Krefeld einen älteren Arbeitsmarkt als generell in NRW", sagt Strangfeld. Der Anteil der Älteren liege in NRW bei 41,9 Prozent, im Agenturbezirk bei fast 44 Prozent. "Gerade unter der Gruppe der arbeitslos gemeldeten Menschen ist das Qualifikationsniveau hoch", betont Strangfeld. Genau darauf setzt auch Unternehmer Weyers: "Ich möchte von der Erfahrung und der Produktivität der älteren Mitarbeiter profitieren", sagt er. Zwei über 50-Jährige verstärken nun sein Team, einer davon ist Dietmar Schneider.

37 Jahre lang hat Schneider als Geschäftsstellenleiter einer Agrargenossenschaft gearbeitet, dann kündigte er. "Ich wollte eine neue Herausforderung", erzählt er. "Ich war drei Monate arbeitslos und habe 19 Bewerbungen geschrieben." 18 Absagen habe er bekommen, von ein paar Unternehmen gab es auf Nachfrage die Rückmeldung: "Sie sind uns zu alt." Jetzt betreut der Süchtelner Unternehmen, die sich für betriebliche Altersvorsorge interessieren. Sein Chef hatte die Wahl zwischen 18 Bewerbern, die ihm die Agentur für Arbeit vermittelte. "Die Chemie hat direkt gestimmt", sagt Weyers.

Viele Arbeitgeber hätten Vorbehalte gegenüber älteren Arbeitslosen, sagt Strangfeld. Es fehle ihnen an Flexibilität, Motivation und aktuellem Fachwissen, sie seien häufiger krank, würden meist als Gründe genannt. Das seien Vorurteile. Aber wenn ein älterer Angestellter mal krank wird, dauere es in der Regel tatsächlich länger, bis er genesen ist. Schneider zumindest fühlt sich "topfit" und ist sehr motiviert: "Ich freue mich einfach, wenn ich arbeiten kann."

(RP)
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