Stadt Kempen "Mit des Lorbeers muntern Zweigen"

Stadt Kempen · Hans Egon Kasten und sein "Kempener Rezitations-Ensemble" sind wieder da. Nach acht Jahren Pause gibt es am 20. November in der "Haltestelle" mit der Balladen-Matinee "Von Menschen und Mächten" ein Wiedersehen.

 Das Kempener Rezitations-Ensemble mit (von links): Markus Lunau, Hans-Egon Kasten, Ursel Kozok und Jörg Mielke probt wieder. Am 20. November tragen sie Texte in der Haltestelle an der St. Töniser-Straße vor.

Das Kempener Rezitations-Ensemble mit (von links): Markus Lunau, Hans-Egon Kasten, Ursel Kozok und Jörg Mielke probt wieder. Am 20. November tragen sie Texte in der Haltestelle an der St. Töniser-Straße vor.

Foto: KURT LÜBKE

Ohne die Viersener Festhalle, Gustaf Gründgens und eine Tanzstunde gäbe es "den niedergelassenen Rezitator", wie sich Hans-Egon Kasten selber nennt, nicht. Denn eigentlich wollte der Schüler des Humanistischen Humboldt-Gymnasiums in Viersen in der Phase als "Extremkatholik" Priester werden. Doch dann verliebte sich der Pennäler in der Tanzschulstunde in seine Tanzpartnerin - seine heutige Frau Anna. Beide besuchten auch in der vom Krieg verschonten Festhalle Theateraufführungen des Düsseldorfer Schauspielhauses. Gustaf Gründgens, bis 1955 in Düsseldorf Intendant, kam gern in die Viersener Festhalle, weil er im zerbombten Düsseldorf sonst nur auf Behelfsbühnen spielen konnte. Und beide liebten die Literatur von Wolfgang Borchert, den Lieblingsautor der Nachkriegsgeneration.

Hans-Egon Kasten war längst vom Theater-Bazillus infiziert. 1947 erlebte er eine Aufführung der "Iphigenie auf Tauris", aufgeführt von einer Kempener Theatertruppe aus Schauspielern, die aus den Ostgebieten geflohen waren. Sie spielten in Dülken auf der nur anderthalb Meter tiefen Bühne vor dem Vorhang der Kinoleinwand. Zu Hause lernte er den Iphigenie-Monolog auswendig und spielte ihn nach. Die ersten Zeilen kann er noch heute.

Schon in der Schulzeit war Kasten bei Balladen der Vorzeige-Rezitator, der aus dem Griechisch-Unterricht geholt wurde, um als Unterrichtshelfer anderen Klassen die hohe Kunst der Ballade näher zu bringen. Von Gustaf Gründgens "Wallenstein" in Viersen war der jugendliche Hans-Egon - oder Hannes, wie ihn seine Frau nennt - so beeindruckt, dass er jetzt Schauspieler werden wollte. Er sprach sogar dem großen Maestro vor - mit dem Wallenstein-Monolog in größtmöglichen Gründgens-Pathos - so dass der echte Gründgens dem jungen Mann riet, erst einmal das Abitur zu machen, dann werde er Kasten schon zum "Charakterkomiker" machen.

Das war ein Schlag ins Kontor. Dabei hatte Kasten schon als Teenager beim Bischöflichen Bildungsamt an Laienspielleiter-Kursen teilgenommen, baute an der Pfarre St. Remigis ein kleines Ensemble auf und inszenierte zum Abitur nicht nur Goldonis "Diener zweier Herren", sondern spielte auch noch die Titelrolle des Truffaldino. Aber die Schauspielerei war keine Berufsperspektive mehr. Kasten wurde Grundschullehrer. Er, der früher zum Gaudi seiner Klassenkameraden Lehrer imitiert hatte, wurde nun selber Lehrer. Heute sagt er: "Auch Lehrer sind so eine Art Schauspieler", und lächelt leise vor sich hin. Später ließ er sich zum Sonderschullehrer weiterbilden und übernahm die Leitung der Sonderschule in Lobberich, die er 30 Jahre lang innehatte. 1995 - mit 60 - ließ er sich pensionieren und zog nach Kempen um. Er schätzt dort das "hervorragende Bildungsbürgertum" und beglückte es mit Rezitationen im Rokoko-Saal, zuerst allein, später mit drei Mitstreitern. Der Saal war immer voll, und das Bedauern groß, als Kasten 1998 aus gesundheitlichen Gründen aufhörte. Hans-Egon Kasten hat sich aufgerappelt, und vor allem seine Frau Anna hat ihn motiviert, wieder auf die Bühne zu gehen. Man müsse ja im Alter fit bleiben. Und er hat sich sofort mit Begeisterung in die Arbeit gestürzt. Die alten Mitstreiter haben schnell zugesagt, die Proben laufen. Am 20. November hat das Programm "Von Menschen und Mächten" Premiere in der Haltestelle an der St. Töniser Straße 27. Geplant ist ein Programm, in dem die besten und dramatischsten Balladen der deutschen Vers-Dichtung zum Vortrag kommen werden.

Untrennbar mit dem Rezitieren verbunden ist seine große Leidenschaft für Gedichte. Zum Frühstück trägt Hannes seiner Anna immer ein Gedicht vor, pardon: er rezitiert es. Vor Jahren hat er ein Kalendarium zusammengestellt mit Gedichten für jeden Tag des Jahres. Ein Verlag hat sich leider nicht gefunden, weil das Projekt zu teuer geworden wäre. So zieht nun seine Ehefrau privatissime jeden Tag den Nutzen aus dieser Arbeit. Am 20. November werden die Kempener wieder in den Genuss seiner Kunst der Rezitation kommen. Und er hat seine "inzwischen reifer gewordenen Mitstreiter" - Ursel Kozok, Markus Lunau und Jörg Mielke - an seiner Seite. Für Intermezzi sorgt der Leverkusener Pianist Wolfgang Laur.

(RP)
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