Serie Vor 200 Jahren KK - nur eine nostalgische Spielerei?

Viersen Man kann sich durchaus fragen, ob es nicht wichtigere Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen gibt, als alte Kfz-Kennzeichen wiederzubeleben. Aber ein Erfolg war diese behördliche Maßnahme durchaus. Man sieht sie allenthalben: MO für Moers, ERK für Erkelenz, JÜL für Jülich oder GEL für Geldern. Und man sieht viele KK, was nicht etwa für "Königreich Kempen" oder Kaldenkirchen steht, sondern für Kempen-Krefeld, den Vorläuferkreis des heutigen Kreises Viersen und Nachfolger des Kreises Kempen.

Der Kreis Kempen-Krefeld wurde 1929 in Vollzug des "Gesetzes über die kommunale Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes" gebildet. In seinem lesenswerten Überblick über die Kreisgeschichte seit 1816 hat dies zuletzt der ehemalige Oberkreisdirektor Rudolf H. Müller im jüngsten Heimatbuch des Kreises beschrieben: "Aus dem Kreis Krefeld wurden 1929 so viele Gemeinden in die Stadt Krefeld eingemeindet, dass der Kreis Krefeld nicht mehr lebensfähig war. Die nicht nach Krefeld eingemeindeten Gemeinden wurden mit dem Kreis Kempen zusammengefasst, der den Namen Kempen-Krefeld erhielt. Es waren das Amt Lank sowie die Gemeinden Anrath, Willich und Osterath. Zum Kreis Kempen-Krefeld kamen aus dem 1929 ebenfalls aufgelösten Landkreis Gladbach die Gemeinden Neersen und Schiefbahn sowie aus dem Landkreis Geldern die Gemeinden Hinsbeck und Leuth. Der Kreis Kempen-Krefeld hat dadurch eine breigestreckte Form bekommen, die mit der geometrischen Figur eines Kreises keine Ähnlichkeit hatte."

Dülken ging nach langen Neugliederungsdiskussionen, die Dr. Paul Schrömbges minutiös dokumentiert hat (Heimatbuch 2014), erneut leer aus. In den Überlegungen des Regierungspräsidenten zur Bildung eines so genannten "Westkreises" hieß es noch 1928: "Der Verkehrs- und wirtschaftliche Mittelpunkt des so gestalteten Westkreises wäre Dülken mit Rücksicht auf die allgemein günstige Verkehrslage und die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt Dülken, die Sitz des zukünftigen Kreises zu sein hätte." Doch daraus wurde bekanntlich nichts.

Zurück zu KK: Vielleicht ist es ja zu kurz gegriffen, die Popularität des KK-Kennzeichens als bloße nostalgische Spielerei abzutun, vielleicht ist diese Popularität auch ein Indiz für die Existenz eines Kreisbewusstseins, das sich allen Veränderungen zum Trotz in 200 Jahren langsam gebildet hat, und das dem Kreis einen identitätsbildenden Wert verleiht. Dabei war hier die Identifizierung der Menschen mit ihrem Kreis von Anfang an schwerer als zum Beispiel in den Kreisen Kleve, Geldern oder Jülich, wo Jahrhunderte alte gleichnamige Herzogtümer schon gemeinschafts- und identitätsbildend gewirkt hatten und in Köpfen und Herzen sicher verankert waren. Auch wenn der Kreis heute nach der Stadt Viersen benannt ist, hat er viel von jenen Traditionen bewahrt, die er 1976 von seinem Vorgänger Kempen-Krefeld übernommen hat: eine Musikschule, ein Museum, das Kreisarchiv, profunde geschichtliche Veröffentlichungen und vieles mehr.

(prof)
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