Stadt Kempen Kinder wachsen durch das Singen sehr

Stadt Kempen · Seit 24 Jahren kümmert sich die Chorakademie Kempen um den Sängernachwuchs. Mit Stimmbildung und Atemtechnik lernen Kinder und Jugendliche, ihre schöne Stimme zur Blüte zu bringen.

Die Chorakademie Kempen bei einem früheren Weihnachtskonzert (2014) in der Paterskirche.

Die Chorakademie Kempen bei einem früheren Weihnachtskonzert (2014) in der Paterskirche.

Foto: F. Thiel

Singen hat es schwer. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der allgegenwärtigen musikalischen Dauerberieselung im Alltag gebrauchen viele Menschen ihre Stimme nur noch zum Sprechen. Dabei ist sie das natürlichste Musikinstrument. Es braucht keine äußeren Hilfsmittel, unsere Stimme ist Teil des Körpers, sie ist immer da und bereit. Viele kennen ihre Singstimme gar nicht, wissen nicht, wie es sich anhört, wenn sie selbst einmal Töne erzeugen. Denn Singen will geübt werden. Normalerweise ist es wie das Sprechen eine Fähigkeit, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Einschließlich des Kulturguts der unzähligen Lieder, die überall auf der Welt gepflegt werden. Dieses Manko zu beheben, hat sich ein Kempener Verein auf die Fahnen geschrieben. "Entdecke deine Stimme" lautet das Motto der Chorakademie Kempen.

Dahinter steht der Vorstand des Vereins unter seinem Vorsitzenden Peter Thiel und unterstützt von seiner Frau Elisabeth aus St. Hubert. Seit 24 Jahren sind sie Kopf und Herz des eingetragenen, gemeinnützigen Vereins, der Kindern und Jugendlichen ein vielfältiges Angebot chorischen Singens in verschiedenen Gruppen anbietet. Alles begann 1993. Peter Thiel, damals Lehrer für Betriebs- und Volkswirtschaft sowie Deutsch am Kempener Berufskolleg, gründete gemeinsam mit einem ehemaligen Sänger des Thomanerchors Leipzig und einigen wenigen Chorinteressenten in Kempen einen Knabenchor. Antrieb war "die pure Freude an er Musik" und die Tatsache, dass es bis auf die weltberühmten Chöre in Leipzig und Dresden nur sehr wenige Knabenchöre gab. Denn Jungen vor dem Stimmbruch besitzen eine besondere Klangfarbe, "eine Brillanz", wie es Peter Thiel nennt.

Der Knabenchor erlebte beinahe aus dem Stand große Erfolge. Es erfolgten Konzertreisen ins Ausland, Mitwirkung bei Opernproduktionen und auch ein Auftritt bei einer Weihnachtsgala mit dem weltberühmten Tenor José Carreras in Krefeld. 1999 bildete sich ein eigener Mädchenchor, im Jahr 2002 auch ein Jugendensemble. Seit dieser Zeit nennt sich der Verein "Chorakademie Kempen e.V.". Die Chöre agieren auf hohem Niveau. Der Knabenchor ist "Meisterchor im Chorverband NRW 2008", dem Mädchenchor wurde der Titel "Leistungschor der Stufe II im Chorverband NRW 2009" verliehen.

Feste Tradition in Kempen ist die Ausrichtung des alljährlichen Weihnachtskonzertes in der Paterskirche. Grundlage dieser erfolgreichen Arbeit ist eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung der Kinder und Jugendlichen. Vor der Aufnahme in den Chor besuchen die meisten Kinder für rund ein Jahr zunächst eine Chorschule, wo sie erste Grundlagen wie Notenlesen, Gehör- und Stimmbildung und Atemtechnik erlernen. Zudem erhalten alle Sängerinnen und Sänger kontinuierlich individuelle Stimmbildung.

Geleitet werden die Chöre von Profis, seit 2017 von der Chorleiterin und Gesangspädagogin Maike Hiller. Die Chorakademie Kempen finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Konzerteinnahmen und Spenden. "Wir bekommen keine finanzielle Unterstützung", sagt Peter Thiel. Die Eltern beteiligen sich an den Kosten mit einem monatlichen Beitrag von 30 Euro, der auch die individuelle Stimmbildung, Noten und Konzertkleidung einschließt. Die Stadt Kempen leistet insofern Hilfe, als sie den Pavillon des Gymnasiums Thomaeum als Probenraum zur Verfügung stellt.

Doch es ist nicht leicht, Kinder und vor allem deren Eltern für den Chorgesang zu gewinnen. Singen gilt zum Teil auch heute noch bei Jungen eher als "uncool." Zudem habe der Sport auch bei vielen Eltern einen deutlich höheren gesellschaftlichen Stellenwert. Auch G8 mit den verkürzten Schuljahren und längeren Schulzeiten bis in den Nachmittag hinein erschwert die Arbeit. "Das fordert einem schon Respekt ab, wenn die Kinder noch mit dem Schulranzen auf dem Rücken direkt zu den Proben kommen", sagt Peter Thiel., "Da steckt ganz viel Herzblut drin", sagt Elisabeth Thiel, die von den Kindern und Jugendlichen einfach "Lissi" genannt wird. Sie erzählt davon, wie positiv sich das Singen auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, wie sie an Ausstrahlung und Selbstbewusstsein gewinnen, vom familiären und freundschaftlichen Umgang miteinander.

Im Moment ist die Chorakademie wieder auf Werbetour an Grund- und weiterführenden Schulen in Kempen und Umgebung unterwegs. "Jedes singinteressierte und singbegeisterte Kind bekommt von uns eine Einladung", erzählt Peter Thiel. Doch auch hier haben Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar" ihre Spuren hinterlassen. "Ich wusste erst gar nicht, was es bedeutete, als ein Mädchen freudestrahlend mit der Einladung winkte und rief, sie habe einen `Recall´ erhalten", erinnert sich Peter Thiel schmunzelnd.

(evs)
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