Stadt Kempen Kinder gegen Missbrauch stärken

Stadt Kempen · Das Projekt "Mein Körper gehört mir" informiert Viertklässler der Astrid-Lindgren-Schule über sexuellen Missbrauch und zeigt Wege, wie sich Kinder dagegen wehren können. Sexualkunde hat an Kempener Schulen einen festen Platz.

 Alle vierten Klassen der Astrid-Lindgren-Grundschule konnten jetzt beim Projekt "Mein Körper gehört mir" mitmachen. Das Angebot der Theaterpädagogischen Werkstatt zu sexuellem Missbrauch findet regelmäßig an Kempener Grundschulen statt.

Alle vierten Klassen der Astrid-Lindgren-Grundschule konnten jetzt beim Projekt "Mein Körper gehört mir" mitmachen. Das Angebot der Theaterpädagogischen Werkstatt zu sexuellem Missbrauch findet regelmäßig an Kempener Grundschulen statt.

Foto: Wolfgang Kaiser

Ein Exhibitionist im Park, ein Erwachsener im Chatroom oder ein Familienmitglied, das das Vertrauen eines Kindes ausnutzt: So kann sexueller Missbrauch aussehen. Die Viertklässler der Astrid-Lindgren-Schule in Kempen konnten jetzt bei dem Projekt "Mein Körper gehört mir" solche Situationen kennenlernen: Mitglieder der Theaterpädagogischen Werkstatt Osnabrück brachten sie als Spielszenen in die Klassen und zeigten den Grundschülern, wie sie sich vor dieser Gefahr schützen können.

"Mein Körper gehört mit" ist ein Beispiel für altersgerechte Aufklärung über sexuellen Missbrauch und auch für den Umgang mit Sexualkunde an Kempener Grundschulen: "Das Projekt ist ein großer Erfolg und es regt zu Gesprächen an, die sonst vielleicht nicht möglich wären", sagt Sieglinde Stammen, Leiterin der Astrid-Lindgren-Schule. Die Kinder würden sich öffnen und seien sehr motiviert, auch weil sie einfache Verhaltensweisen kennenlernen, wie auf ihr Gefühle zu vertrauen oder bei Unsicherheit Hilfe von Erwachsenen zu holen.

Wie wird Kempener Schülern die im Lehrplan verankerte Sexualkunde vermittelt? Gehört das Fach, das intime Grenzen berührt, ganz selbstverständlich zum Stundenplan und wird es - wie das Gesundheitsamt Krefeld und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Krefelder Schulen kritisiert hatten - mit dem Etikett des Tabus versehen?

"Nein, uns ist keine Schule bekannt, an der Sexualkunde bewusst klein gehalten oder nicht unterrichtet wird", erklärt Bernhard Giesbers von der Pressestelle des Kreises Viersen. "Die Erfahrungen - auch mit den weiterführenden Schulen in Kempen - sind durchweg gut." So würden von manchen Schulen regelmäßig Veranstaltungen für den gesamten Jahrgang ab Klasse acht angefragt. Andere Schulen nähmen das Schulkino in Anspruch oder unterstützen die Organisation von Theaterprojekten oder Aktionen rund um den Welt-Aids-Tag: "Die Beratungsstelle ,Aids und sexuell übertragbare Infektionen' arbeitet seit vielen Jahren vertrauensvoll und kooperativ mit vielen Schulen im Kreis zusammen", so Giersbers. Damit Lehrern bei Sexualkunde nicht die Worte fehlen werden, bieten Sexualpädagogen der Aids-Hilfen und -Beratungen aus dem Kreis Viersen und aus Mönchengladbach am Dienstag, 23. Februar, einen Fachtag an. "Manchmal wissen die Lehrkräfte nicht so recht, wie sie das Thema in den Unterricht einbinden können oder es ist ihnen selbst unangenehm", so die Erfahrung von Patrizia Helten von der Aids-Hilfe. Das solle mit dem Fachtag geändert werden.

An weiterführenden Schulen wie am Kempener Gymnasium Thomaeum findet Sexualkunde in unterschiedlichen Jahrgangsstufen "auf viele Arten" statt, erläutert Barbara Godizart, Koordinatorin für Naturwissenschaften und Informatik (Mint-Fächer). "Im vergangenen Jahr hatten wir erstmals einen Mint-Tag, zudem wir zwei Mediziner eingeladen haben." Nach Geschlechtern getrennt, hätten die Ärzte über Krankheiten informiert und Fragen der Jugendlichen beantwortet.

Ist es ein guter Weg, dafür Experten in den Unterricht zu holen? "Ja", sagt Godizart. "Das ist besser, wenn sich nicht die bekannten Lehrer damit beschäftigen." Zum einen seien externe Experten für die Gymnasiasten immer auch etwas Besonderes, zum anderen trauen sich die Jugendlichen ihnen gegenüber, auch persönlichere Fragen zu stellen.

Probleme oder kritische Nachfragen von Eltern zur Sexualkunde kennt Barabara Godizart bisher nicht: "Die Eltern werden pflichtgemäß vorher über die Unterrichtsinhalte informiert. "Bei Fragen oder Bedenken würden wir auch darauf eingehen", meint die Pädagogin. Auch Uwe Hötter, Leiter der vor zwei Jahren gestarteten Gesamtschule Kempen und zuvor langjähriger Leiter der auslaufenden Erich Kästner Realschule, hat noch niemals Bedenken von Eltern zur Sexualkunde erfahren. "Wir greifen das Thema nicht nur in Naturwissenschaften, sondern auch in Religion oder Gesellschaftslehre auf", schildert er. Dafür sieht Hötter zwei vollkommen unterschiedliche Gründe: "Die Eltern sind offener gewordenmoder sie tabuisieren das Thema Sexualität dermaßen, dass sie gar nicht darüber sprechen."

In der Astrid-Lindgren-Grundschule steht jedenfalls jetzt bereits fest: "Das Projekt ,Mein Körper gehört mir' wird es auch die nächsten Viertklässler wieder geben", kündigt Schulleiterin Sieglinde Stammen an.

(RP)
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