Mit Peter Landmann, Künstlerischer Leiter Von Kempen Klassik "Kempen hat in der Klassik-Szene einen guten Ruf"

Kempen · In den Sommerferien wird in der Paterskirche endlich eine Tonanlage installiert. Warum hat das so lange gedauert?

 Peter Landmann, Jahrgang 1949, war von 1985 bis 1996 Beigeordneter und Kulturdezernent der Stadt Kempen. Dann wechselte er zum Land. Seit dem 1. Januar ist der Ministerialdirigent a. D. offiziell im Ruhestand.

Peter Landmann, Jahrgang 1949, war von 1985 bis 1996 Beigeordneter und Kulturdezernent der Stadt Kempen. Dann wechselte er zum Land. Seit dem 1. Januar ist der Ministerialdirigent a. D. offiziell im Ruhestand.

Foto: ACHIM HÜSKES

In den Sommerferien wird in der Paterskirche endlich eine Tonanlage installiert. Warum hat das so lange gedauert?

LANDMANN: Diese Lautsprecheranlage in ein historisches Gebäude zu installieren, ist technisch und baulich sehr kompliziert. Es gab eine Vielzahl von Fragen zu klären, Bistum, Bauamt der Stadt, Firmen waren beteiligt, das hat sehr lange gedauert. Ich gehe aber davon aus, dass die Anlage definitiv in den Ferien kommt. Dank großzügiger mäzenatischer Hilfe kann Kempen Klassik e.V. die Finanzierung sicherstellen. Die Paterskirche hat eine tolle Akustik für Musik, aber nicht für Sprache. Aber immer mehr Künstler wenden sich direkt - und gern auch schon mal ganz spontan - ans Publikum, was vor zehn, 20 Jahren noch ziemlich unüblich war. Dieser positiven Entwicklung wollen wir Rechnung tragen.

Sie haben von Kempen Klassik gerade das Programm der Saison 2015/2016 vorgestellt. Wo siedeln Sie es qualitativ an?

LANDMANN: In den vergangenen fünfzehn Jahren haben wir das Niveau peu à peu immer weiter hochgeschraubt. Es ist nicht einfach, das Niveau jedesmal wieder dort oben zu halten. Ich denke, in dieser Saison haben wir es wieder geschafft, ein ziemlich ambitioniertes Programm aufzustellen. Wir setzen wie immer auf eine Mischung aus Stars, die jeder Klassikliebhaber kennt, und ebenso guten, meistens jüngeren Musikern, die noch zu entdecken sind.

Aber gibt es beim Publikum nicht eher ein Trend zu den großen Namen?

LANDMANN: Sie müssen schon in jeder Abo-Reihe auch große Namen haben, neue Namen ziehen nicht in gleicher Weise. Aber für einen Veranstalter ist es eigentlich der spannendere Teil, tolle, weniger bekannte Musiker zu präsentieren. Wenn das Publikum dann gerade bei solchen Künstlern besonders aus dem Häuschen ist, dann freut mich das ganz besonders.

Ist es schwer, die Stars nach Kempen zu holen?

LANDMANN: In den Anfängen der 80er und 90er Jahre war es ungleich schwieriger. Kempen hat in der Klassik-Szene inzwischen bundesweit einen sehr guten Ruf. Es hat sich unter Musikern herumgesprochen, dass hier ein herausragendes Programm gemacht wird und eine besonders herzliche Betreuung zu erwarten ist. Außerdem begeistert der Raum der Paterskirche Musiker immer wieder aufs Neue. Auch die maßgeblichen Agenturen kennen und schätzen uns. Sie unterstützen uns, indem sie auch den sehr prominenten Künstlern zuraten, nach Kempen zu gehen, obwohl wir natürlich an der unteren Grenze der Honorare agieren müssen. Sonst kommen wir mit der Finanzierung nicht klar. In keinem Fall sind wir bereit, einen "Aufpreis für Provinz" zu zahlen.

Werden die Honorare nicht generell immer teurer?

LANDMANN: Mir scheint, derzeit eher nicht. Der Markt ist für die Künstler generell schwieriger geworden. Es gibt weniger Geld in den öffentlichen Kassen, und die Zahl der Veranstalter hat abgenommen. Natürlich gibt es eine Liga von Künstlern, die wir uns nicht leisten können, und auch große Orchester kommen nicht in Frage.

Wie würden Sie die Kempener Klosterkonzerte bundesweit einordnen?

LANDMANN: Kempen spielt - wenn wir die zahlreichen kleinen und größeren Festivals mal außen vor lassen - in einer speziellen Liga von außerhalb der Metropolen liegenden, besonders reizvollen Konzertorten mit vergleichbar hochkarätigem Programm, deren Zahl ich bundesweit auf 15 bis maximal 20 schätzen würde. Dazu zähle ich in unserer Nähe z.B. Coesfeld, wo ein Unternehmen als Mäzen wirkt, und auch die Zeughauskonzerte im deutlich größeren Neuss. Bei uns wird das - für eine so kleine Stadt übrigens ungewöhnlich umfangreiche - Programm durch ein einzigartiges bürgerschaftliches Engagement ermöglicht. Bei nur ca. 350 Plätzen in der Paterskirche brauchen wir über die Eintrittsgelder hinaus das tolle Engagement der Kempener Unternehmen im Förderkreis, der Stifter der Bürgerstiftung und der Mitglieder des Vereins.

Aber vor allem die kleineren Kommunen ziehen sich immer mehr aus der Kulturförderung zurück.

LANDMANN: Gegen diesen Trend muss man angehen und bei der Verteilung um öffentliche Mittel für die Kultur kämpfen. Wir haben beim Land das Kulturfördergesetz auf den Weg gebracht, dem die Überzeugung zugrundeliegt, dass die Kultur zu den öffentlich zu finanzierenden Dingen gehört - nicht anders als z.B. Schule und Hochschule. Nur: Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann das Land die Kommunen nicht gesetzlich verpflichten, die Kultur zu fördern, es sei denn, es stellt ihnen das dafür nötige Geld bereit. Das Land sieht sich aber derzeit leider nicht in der Lage, seinen Förder-etat auszuweiten.

Profitiert Kempen auch durch auswärtige Konzertbesucher?

LANDMANN: Auf jeden Fall. Bei bestimmten Künstlern reisen Besucher oft von weither an. Das wird in der kommenden Saison z.B. bei den King's Singers auch wieder der Fall sein oder bei Daniel Hope und Sabine Meyer, auch bei Martin Stadtfeld. Viele Besucher gehen vor oder nach dem Konzert in der Altstadt in die Gastronomie. Allerdings wäre es schön, wenn man in mehr Gaststätten nach 22 Uhr, also nach den Konzerten, noch was Warmes zu essen bekäme.

Welche Künstler haben Sie noch auf Ihrer Wunschliste?

LANDMANN: Och, es gibt noch viele Künstler, die ich gerne nach Kempen holen würde. Aktuell steht z.B. die junge Sopranistin Anna Prohaska, Shooting-Star von der Linden-Oper Berlin auf meiner Wunschliste, oder der Cellist Jean-Guihen Queyras, schon länger auch die Geigerin Julia Fischer. Unser Budget ist allerdings extrem knapp. Wenn ich mehr Geld zur Verfügung hätte, würde ich gern zusätzlich Kinderkonzerte machen. Aber dafür fehlen uns die Mittel. Früher, von 2003 bis 2009, hatten wir auch das sehr erfolgreiche Kempen Musik Festival, das alle zwei Jahre vor den Sommerferien ein langes Wochenende ein besonderes Programm aus Musik und Sprache anbot. Auch dazu fehlt uns das Geld.

Sie sind seit Januar im Ruhestand. Was hat sich für Sie verändert?

LANDMANN: Ich genieße es, etwa montags um 11 Uhr in aller Ruhe und am helligten Tag an meinem Schreibtisch zuhause das Programm für Kempen Klassik vorzubereiten. Früher ging das nur nachts am Laptop oder unterwegs im Auto. So ganz im Ruhestand bin ich aber nicht. Ich bin weiterhin noch beratend für das Kulturministerium tätig. Dabei geht es vor allem um die Umsetzung des Kulturfördergesetzes. Außerdem bin ich fürs Land im Vorstand einer neuen Institution, der Zukunftsakademie NRW in Bochum. Dort wird die Bedeutung der Kultur für die Zukunft der Stadtgesellschaft im demographischen Wandel, insbesondere in der kulturellen Vielfalt unserer Migrationsgesellschaft erforscht und erprobt. Auch für die Landes-Jugend-Musikensembles bin ich ehrenamtlich tätig, ebenso für meine alte Schule, das "Internat Solling" in Holzminden. Dort bin ich Vorsitzender des Stiftungsrates. Ich will aber auch selber noch mal die Schulbank drücken. Gemeinsam mit Freunden möchte ich zukünftig freiberuflich arbeiten als Berater für Partizipationsprozesse in der Kultur. Es gibt einen deutlichen Trend, Entwicklungspläne und -konzepte - nicht nur in der Kultur - mit Bürgern und Betroffenen gemeinsam zu erarbeiten, und nicht mehr im stillen Kämmerlein der Verwaltungen. Das finde ich sehr interessant. Solche Prozesse möchte ich unterstützen und zu ihrem Erfolg beitragen. Dazu werde ich eine Ausbildung in systemischer Organisationsentwicklung und im Management von Großgruppenkonferenzen machen. Die Schweizer mit ihrer direkten Demokratie sind dabei führend. Ach ja, und nicht zu vergessen: Im Aufsichtsrat werde ich die RuhrTriennale, die ich mitgegründet habe, weiter begleiten. Also Langeweile ist vorläufig nicht zu befürchten.

(RP)
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