Serie Vor 75 Jahren Katholische Kirche als Hauptfeind

Schon früh gab der Düsseldorfer Gauleiter unverblümt zu erkennen, wen man am Niederrhein als den empfindlichsten Gegner des Regimes ausgemacht hatte: die katholische Kirche. Siegessicher zitierte ihn Kreisleiter Heinrich Niem im Mai 1938: "Galt unser Gebiet früher beim Gauleiter als ,dunkler Punkt' im Geschehen des Gaues Düsseldorf, so rufe ich jetzt den Gauleiter selbst als Zeugen auf: Er selbst hat mehrfach, zuletzt im Wahlkampf in Kempen und Viersen, erklärt, daß der Kreis Viersen-Kempen in Ordnung ist!" Und mit Feierlichkeit fügte Niem hinzu: "Der Niederrhein, er ist nicht ,schwarz', er ist nationalsozialistisch, weil alle Menschen Nationalsozialisten sein wollen, weil sie den Führer wollen, wie der Führer sie will".

Besonders in der Jugendseelsorge tätige Geistliche gerieten rasch in das Fadenkreuz der Nazispitzel. Für Schiefbahn mag dies ein Beispiel belegen. Im Juni 1940 teilte der dortige Bürgermeister als Ortspolizeibehörde der Geheimen Staatspolizei in Aachen mit: Johannes Kaiser, "der in der hiesigen Gemeinde als Kaplan tätig ist, zog am 20.9.1939 von Bardenberg, Josef Goebbels Strasse Nr. 9 kommend nach hier. Er ,bemüht sich' in letzter Zeit sehr stark um die Jugend, so dass man ihn mal näher unter die Lupe nehmen muss. Ich bitte um Mitteilung, ob Kaiser sich in irgendeiner Form staatsfeindlich betätigt hat bzw. um kurze Schilderung seiner Persönlichkeit und seines Werdegangs".

Zwar verlief die Sache im Sande, aber Kaplan Kaiser blieb den Nazis suspekt, sonst wäre eine vervielfältige Einladung zur wöchentlichen Gemeinschaftsmesse "in der Fastenzeit 1944" nicht in die Akten des Bürgermeisters gelangt. Und dass die kirchenfeindlichen Nazis Anlass hatten, Kaplan Kaiser kritisch zu sehen, legen folgende darin zu lesende Sätze nahe. Die Nazis wussten zwischen den Zeilen zu lesen und verstanden wohl die unausgesprochene Aufforderung, sich für den Führer oder Christus zu entscheiden:

"Christi scharf geschnittenes Zeichen ruft Dich von neuem: Mir nach! Ich steh' Dir an der Seite! Ich kämpfe selbst; Ich brech' die Bahn, bin alles in dem Streite. Ein böser Knecht, der still kann stehn, sieht er voran den Feldherrn gehn!"

Aber daraus konnte man dem Kaplan schwerlich einen Strick drehen, denn die Einladung zur frühen Messe am Dienstagmorgen um 6 Uhr endete mit dem geschickten Satz; "Du weißt, daß Du dies Frühopfer bringst für Deine Freunde draußen im Feld."

(prof)
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