Stadt Kempen Hebammen sehen ihren Beruf in Gefahr

Stadt Kempen · Die Hebammen stehen vor großen Problemen. Die Versicherungsprämien sind nahezu ins Unerschwingliche gestiegen, was Existenzen bedroht. Sabine Toennessen ist Hebamme und sieht ihren Berufsstand aussterben.

 Hebamme Sabine Toennesen sieht ihren Berufsstand vor großen Problemen. Sie wünscht sich dringend eine Lösung.

Hebamme Sabine Toennesen sieht ihren Berufsstand vor großen Problemen. Sie wünscht sich dringend eine Lösung.

Foto: wolfgang kaiser

Es war immer ihr Traumberuf und er ist es auch heute noch. Beruflich etwas anderes zu machen, könnte sich Sabine Toennessen nicht vorstellen. Sie ist mit Leib und Seele Hebamme. "Für mich ist es der schönste Beruf überhaupt", schwärmt die Wachtendonkerin, die in der Elternschule Kempen Geburtsvorbereitungskurse gibt, in der Nachsorge tätig ist und zudem an einem Krankenhaus die eigentliche Geburtshilfe leistet. Toennessen, die selber 1989 ihr Examen ablegte, hat aber starke Bedenken, ob es diesen Beruf in absehbarer Zeit noch geben wird.

Momenten hat die Hebamme das Gefühl, als würde das Berufsbild systematisch ausgehebelt. Der Grund dafür liegt in der Berufshaftpflichtversicherung. Deren Prämien haben sich in den vergangenen Jahren mehr als verzehnfacht und das unabhängig von den Geburten, die eine Hebamme begleitet. Aktuell zahlt eine Hebamme pro Jahr eine Prämie von über 6000 Euro. Freiberufliche Hebammen müssen Kosten tragen, die sie, bei guter Auslastung, gleich mehrere Monate ihres gesamten Verdienstes kosten. Eine Situation, die für viele Hebammen nicht mehr tragbar ist.

Vor diesem Hintergrund hören immer mehr Hebammen mit ihrer freiberuflichen Arbeit auf - was Schwangere merken, wenn sie auf der Suche nach einer Hebamme sind. Es wird immer schwerer, eine Hebamme zu finden. Etliche sind über Monate hinaus ausgebucht, weil sich viele ihrer Kolleginnen aus der Geburtshilfe zurückgezogen haben. Denn wenn die Versicherungspolice das Einkommen auffrisst, macht es wenig Sinn zu arbeiten, egal, wie viel Freude man an dieser besonderen und verantwortungsvollen Arbeit hat. Die Erhöhung der Versicherung begründet sich aber nicht, weil es mehr geburtsrechtliche Schadensfälle gibt, für die Hebammen verantwortlich gemacht werden.

Vielmehr sind die Ausgaben für schwere Schäden, wenn sie denn passieren, drastisch gestiegen. Schadensersatzansprüche sind in die Höhe geschnellt und dank des medizinischen Fortschrittes leben auch schwerbehinderte Kinder heute länger. Was aber wiederum bedeutet, dass die Kosten für deren Lebensunterhalt nach oben geklettert sind. Galten im Jahr 2003 noch 2,5 Millionen Euro als ausreichend für eine Schadensabdeckung, so liegt die Regulierungssumme heute bei sechs Millionen Euro.

Die Haftpflichtproblematik zieht aber noch weitere Kreise. Der Versicherungsmarkt ist inzwischen so dezimiert, dass der Deutsche Hebammenverband derzeit immer nur für ein Jahr eine Versicherung anbieten kann. Hebammen dürfen aber nur arbeiten, wenn sie eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen können. Für die Hebammen heißt das, sie können faktisch nur bis zum 1. Juli 2016 arbeiten, denn diesen Zeitraum deckt der gerade geschlossene Vertrag ab. Aber auch Hebammen, die an Krankenhäusern angestellt sind, bangen. Denn für die Krankenhäuser ist es nicht minder teuer, diese Versicherung für die angestellten Hebammen zu bezahlen. "Ich frage mich, wie lange es noch an den Krankenhäusern gut geht", sorgt sich Toennessen.

Eine Hebamme, die über ein Krankenhaus versichert ist, darf nur dort entbinden. Möchte sie für Frauen eine intensive Betreuung von der Geburtsvorbereitung über die Geburt bis hin zur Nachsorge aus einer Hand bieten, kann die schwangere Frau ihr Krankenhaus nicht frei aussuchen. Es sei denn, die Hebamme arbeitet freiberuflich und hat sich selber entsprechend für die Geburt versichert. Hebammen, die hingegen nur Vorbereitung und Nachsorge anbieten und auf die Geburt verzichten, zahlen einen Versicherungsbeitrag von einigen Hundert Euro. "Aber die Geburt ist das eigentliche Herzstück der Arbeit und ich denke, es ist für eine Schwangere auch wichtig, ihre Hebamme, zu der man Vertrauen aufgebaut hat, bei der Geburt an ihrer Seite zu haben. Ich kann momentan nur eine politische Lösung sehen, indem eine Deckelung der Versicherungsprämie erfolgt", bemerkt Toennessen. Sie wünscht sich von Herzen, dass es eine Lösung gibt, bei der Hebammen so arbeiten können, dass sie ein Auskommen haben und der Beruf damit Zukunftschancen hat.

(tref)
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