Stadt Kempen Ein altes Harmonium ist neu im Museum

Stadt Kempen · Helga Klein aus St. Hubert stiftete ihr altes Harmonium aus dem Jahre 1910 dem Städtischen Kramer-Museum. Um es wieder richtig spielfertig zu machen, soll es restauriert werden. Dafür werden jetzt Spenden gesammelt.

 Helga Klein stiftete das alte Harmonium dem Städtischen Kramer-Museum. Leiterin Dr. Elisabeth Friese freut sich über den Neuzugang, ein Mannborg-Harmonium von 1910, für den bürgerlichen Salon im Museum.

Helga Klein stiftete das alte Harmonium dem Städtischen Kramer-Museum. Leiterin Dr. Elisabeth Friese freut sich über den Neuzugang, ein Mannborg-Harmonium von 1910, für den bürgerlichen Salon im Museum.

Foto: WOLFGANG KAISER

Jetzt steht das über 100 Jahre alte Harmonium im Uhrensaal des Städtischen Kramer-Museums und sieht aus, als ob es schon immer dort gestanden hätte. Dabei ist es ein ganz aktueller Neuzugang. Gestiftet hat dieses Instrument Helga Klein aus St. Hubert. Für den Sperrmüll war es ihr zu schade, also rief sie im Museum an. Und die anfangs skeptische Museumsleiterin Dr. Elisabeth Friese verliebte sich bei der Ortsbesichtigung direkt in diese Holzkiste, die fast wie ein Klavier aussieht, wären nicht die Register über der Tastatur und die beiden Fußpedale, mit denen der Luftstrom erzeugt wird. Zwischenzeitlich hat sich auch ein Restaurator das Instrument angeschaut und grünes Licht gegeben. Elisabeth Friese wusste sofort, wo Platz für dieses Instrument ist: im Uhrensalon, in der Abteilung bürgerliches Wohnen.

Heute ist das Harmonium vielleicht etwas in Vergessenheit geraten. Dabei war das Harmonium einst ein Verkaufsschlager. In Europa und Nordamerika wurden um 1900 doppelt so viele Harmonien (die Betonung liegt auf dem "o") wie Klaviere verkauft. Es war das Hausinstrument des Bürgertums, auf jeden Fall der Kreise, die sich das wesentlich teurere Klavier nicht leisten konnten. Auch in kleineren Kirchen oder Schulen wurde es gerne eingesetzt, wenn es wie eine Orgel klingen sollte. Vor allem in vielen kleinen pietistischen Gemeinden wurde es gerne eingesetzt.

Bei dem Harmonium im Kramer-Museum handelt es sich um ein Fabrikat der Firma Mannborg aus Leipzig. Anhand der Seriennummer konnte es auf das Jahr 1910 datiert werden. Es passt wunderbar in das Jugendstil-Ensemble, in das es jetzt eingebracht wurde. 1889 hatte Theodor Mannborg, der aus Karl-stad im schwedischen Värmland stammt, seinen eigenen Harmonium-Betrieb in Leipzig gegründet. Seine Firma erhielt zahlreiche Patente und verdrängte die einst übermächtige amerikanische Konkurrenz vom Markt. Mannborg entwickelte sich zur führenden Produktionsstätte für Harmonien in der Welt. Theodor Mannborg wurde Hoflieferant nicht nur des sächsischen Königs, sondern auch des rumänischen und spanischen Hofes.

Die Geschichte dieses besonderen Instruments allein ist schon spannend. Aber auch die Geschichte, wie dieses Instrument nach Kempen kam. Helga Klein stammt aus Ostpreußen. Auf ihrer Flucht vor der anrückenden Roten Armee sollte sie mit dem Schiff "Wilhelm Gustloff" gerettet werden. Doch das Schiff war bereits voll, sie fand dort keinen Platz mehr. Die Gustloff wurde am 30. Januar 1945 von einem russischen U-Boot vor der Küste Pommerns versenkt. 9000 der schätzungsweise 10.000 Flüchtlinge und Matrosen an Bord ertranken in der eisigen Ostsee. Helga Klein gelangte mit einem anderen Schiff zuerst nach Dänemark und später nach Celle. Ihre Familie wurde im Musiksalon eines Celler Rechtsanwaltes und Notars einquartiert. Später zog die Familie nach Mönchengladbach - mit dem Harmonium aus dem Musiksalon. Helga Klein, die nicht richtig Klavierspielen kann, erinnert sich noch daran, wie sie auf dem Schoss ihres Vaters am Harmonium saß und darauf den Flohwalzer spielte. Sie erbte das Instrument, es kam nach Krefeld und dann nach St. Hubert.

Um es wieder richtig spielen zu können, müsste es restauriert werden. Der Blasebalg ist zerbröselt, Federn müssten ausgetauscht und die Zangen gereinigt werden, die Pedale quietschen. Der Kostenvoranschlag von Restaurator Klaus Langer aus Grevenbroich beläuft sich auf 1500 Euro plus Mehrwertsteuer. Elisabeth Friese hofft jetzt auf Spenden oder einen Mäzen.

(RP)
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