Gemeinde Grefrath Die Zuhörer packte das Fernweh

Gemeinde Grefrath · Sonja Kandels und Band gastierten bei der Wassermusik im Grefrather Hallenbad. Die Afrojazz-Künstlerin begeisterte die Besucher bei 27 Grad Raumtemperatur und kühlen Drinks.

 Beim Konzert von Sonja Kandels fühlte sich so mancher Besucher wie in einer tropischen Gegend mit Sonne und viel Wärme. Am Ende des Abends bekam die Künstlerin jede Menge Applaus.

Beim Konzert von Sonja Kandels fühlte sich so mancher Besucher wie in einer tropischen Gegend mit Sonne und viel Wärme. Am Ende des Abends bekam die Künstlerin jede Menge Applaus.

Foto: wolfgang kaiser

Es sind Sekunden, die zu Minuten werden - unsagbar schöne Minuten. Wie damals, als wir noch Kind waren, fasziniert aufs Wasser starrten und einen nur für uns existierenden Punkt fixierten. Einen Punkt, in dem alle Sinne ineinander flossen und der dem gegenwärtigen Lebensmoment entsprach. Jetzt ist er wieder da, dieser Moment von Glückseligkeit, dieses Gefühl. So intensiv die jüngste Wassermusik im Grefrather Hallenbad war, so schön war sie.

Sonja Kandels und Band gastierten mit "African Dream" in der Niersgemeinde. Ein afrikanischer (Musik-)Traum als relaxter Einstieg ins Wochenende. Sich selber bezeichnet Kandels als Afrojazz-Künstlerin. In Prüm geboren, kam sie dank ihrem Vater, einem Entwicklungshelfer, schon als Kind mit verschiedenen Kulturen in Berührung. Niger, Afghanistan und Kamerum hießen die Stationen. Zurück in Deutschland, empfindet sie Fremde - die afrikanische Seele hat sich tief eingebrannt.

Heimat bietet ihr die Musik, und so spielt sie schon vor ihrer ersten Gesangsstunde im zarten Alter von 19 Lenzen Flöte und Klavier. Sonja Kandels studiert zuerst Kunstpädagogik, später dann Jazz und Popularmusik. Ein Stipendium bringt sie nach Kamerun, wo die Weiße mit den Baka-Pygmäen zusammenarbeitet. All das ist die Grundlage zum Verständnis von Kandels' Musik, die stilreich und klug daherkommt. Wer um diesen Background weiß, genießt das Konzert im Hallenbad an der Stadionstraße umso mehr.

Natürlich tun süffige Cocktails, 27 Grad Raumtemperatur und eine stimmungsvoll ausgeleuchtete Bühne inmitten zweier Steinoptik-Wandelemente ihr übriges zur Stimmungsfindung. Doch ebendiese Fakten machen die Sache erst rund: Nichts ist unecht im Gesamtkunstwerk. Sonja Kandels, diese Frau lebt, was sie fühlt und singt. Keine Folklore erleben die rund 100 Gäste an diesem Abend, sondern eine grundehrliche Melange aus einem bemerkenswerten Künstlerleben.

Das Licht wird gedimmt, die Band legt los: Fordernd und schnell das Schlagwerk, als Rückrat der Rhythmussektion fungiert der Bass. Zauberhafte Wurlitzerklänge entlockt Mark Reinke seinem 88-tastigem E-Piano, Kandels wippt, wiegt die Knie, schwingt die Hüfte. Ihr stahlblaues Kleid mit orangem Muster enthält jene Botschaft, die durchs Ohr als lockerleichte Schmeichelei heranschleicht: Willkommen in Afrika! Die Lichtspots suchen sich ihren Weg vom Wasser bis zur Hallenbaddecke, die Band ist in voller Fahrt.

"Meje" singt Kandels mit der Freude eines Kleinkinds und der professionellen Spielfreude eines Großkalibers. Und wieder ein Ortswechsel: "Wir kommen jetzt in den Dschungel von Kamerun zu den Pygmäen", kündigt die Frontfrau an und erklärt, worum's in dem Song geht: Ein junger Jäger kommt und kommt nicht nach Hause. Seine sich sorgende Frau klagt und zetert - Kandels phrasiert dies gekonnt, nimmt hohe Ausflüchte und bringt im spannungsreichen Crescendo die Botschaft auf den Punkt.

Während im Hintergrund Fotografien von afrikanischen Tieren, Menschen und Landschaften über den Äther laufen, formt sich davor ein neuer Klangkosmos. Miriam Makebas "Mama Ndialila" gefällt auch mit "weißer Stimme" als glockenklare Ballade mit leichtem Tasten-Teppich, einer "weniger-ist-mehr"-Percussion sowie dezentem Basseinsatz. Einmal mehr fällt der Blick auf die Fotoleinwand, wo eine Frau auf einem Boot zu sehen ist. Auf ihrem T-Shirt steht "homesick", zu deutsch Heimweh.

Da packt die Zuhörer das Fernweh, hin in tiefschwarze Welten zwischen Zebra, Wasserbüffel und Elefant. Der vorläufige Höhepunkt des Konzertes indes ist der letzte Song vor der Pause. Nachdem das Publikum - mal mehr, mal weniger kräftig - mitgesungen hat, steigen Kandels, Drummer Harald Ingenhag und der togolesische Percussionist Awale Ouro Akpo ins übermenschentiefe Wasser auf eine eigens für sie installierte Bühne. Dort führen sie traditionelles Musizieren auf und trommeln auf dem Wasser.

Die Pygmäen, bringen dabei drei verschiedene Töne zu Gehör - eine lockernde Nebenbeschäftigung beim anstrengenden Wäschewaschen oder anderen Arbeiten. Dass satter Applaus am Ende des Abends steht, dürfte mehr als klar geworden sein. Die Macher der Wassermusik indes lassen sich - schade, schade - viel Zeit bis zum nächsten Plansch-und-Hörvergnügen. "Zuerst werden in diesem Sommer die Umkleiden umgebaut. Wassermusik-Pläne für 2016 haben wir noch nicht", verrät Badleiter Jörg Tichelkamp.

(tone)
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