Kempen Die Landwirte wollen mehr Geld sehen

Kempen · Die Warengenossenschaft Raiffeisen Schwalm-Nette eG muss die Bilanz umschreiben, weil die Mitglieder eine höhere Rückvergütung durchsetzen. Das Kartoffelgeschäft geht ab 2017 an die Wilhelm Weuthen KG.

Der Jahresabschluss für 2015 war schon genehmigt, als einige Mitglieder den Aufstand probten - mit Erfolg. Denn bei der "Beschlussfassung über die Verwendung des Jahresabschlusses" forderten sie, 145.000 Euro an die 462 Mitglieder als Warenrückvergütung auszuschütten, statt der vorgesehenen 100.000 Euro. Weil die "Preise für Schweine und Milch im Keller sind", werde jeder Euro in den Betrieben gebraucht, lautete die Begründung.

Aufsichtsrat und Vorstand hatten für eine höhere Dotierung der Rücklagen plädiert, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Doch mit 35 zu 33 Stimmen setzten sich die "Rebellen" durch. "Die Bilanz muss jetzt umgeschrieben werden", folgerte Aufsichtsratsvorsitzender Heinz Zanders. Ein altgedienter Genosse meinte: "Das hat es in den letzten Jahren noch nie gegeben."

Die Umverteilung des Jahresergebnisses blieb im Alten Braukeller in Schaag die einzige Überraschung bei der Generalversammlung der Raiffeisen Schwalm-Nette eG, die derzeit mit Niederlassungen in Dülken, Bracht-Börholz und Niederkrüchten vertreten ist. Doch das wird sich ändern, wie der geschäftsführende Vorstand Bernd Wolfs erläuterte. Die Genossenschaft will ab 2017 das Kartoffelgeschäft an die ebenfalls zum Genossenschaftsverband gehörende Wilhelm Weuthen KG in Waldniel übertragen. Dafür übernimmt sie deren Düngemittel- und Getreidegeschäft im Westkreis Viersen. Überflüssig wird dadurch die Kartoffelsortieranlage in Niederkrüchten-Dam. Dorthin soll der Raiffeisen-Markt aus dem Niederkrüchtener Ortskern verlegt werden. Für die Immobilie stünden Interessenten heute schon Schlange, da sie großflächigen Einzelhandel erlaube.

Nachdem die Genossenschaft 2015 kräftig in zwei Silos in Dülken (Fassungsvermögen jeweils 2500 Tonnen) und in einen Großflächenstreuer für Kalk in Börholz investiert hatte, sollen in diesem Jahr eine neue Stückguthalle in Börholz gebaut und das Hofpflaster erneuert werden. Auch wird es einen neuen Schüttgut-Lkw mit Mulde geben. Verkauft werden Grundstück und Gebäude des früheren Raiffeisenmarktes in Kaldenkirchen (Mieter heute: Dänisches Bettenlager). Mit der Konzentration auf drei Standorte sieht Wolfs das Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt.

"Die Pferde saufen nicht", hatte Zanders anschaulich die Lage der Landwirtschaft geschildert. Denn Chinas Konjunktur schwächelt, und gegen Russland ist ein Embargo verhängt. Das trifft die Landwirtschaft schwer, denn sie erzielt ein Drittel ihrer Erlöse aus dem Export. Deshalb ist Vorstand Wolf mit Prognosen angesichts der Turbulenzen auf den Weltmärkten sehr vorsichtig. Er baut mit einer Stärkung der Eigenkapitalbasis vor, die fast die Höhe des Anlagevermögens (5,3 Mio. Euro) erreicht hat. Das ist bei einer Bilanzsumme von 12,5 Mio. Euro ein komfortabler Wert.

Interessant ist, dass der mengenmäßige Umsatz um sieben Prozent auf 155.000 Tonnen stieg, die Erlöse jedoch um rund 9 Prozent auf 31,1 Millionen Euro zurückgingen: Die Preise sind gefallen. Allerdings wurden auch weniger Pflanzenschutz- und Düngemittel nachgefragt, weil das Wetter mitspielte. Generieren die Raiffeisenmärkte nur 13 Prozent des Umsatzes, so tragen sie 40 Prozent zum Ertrag bei: Die Margen in den einzelnen Geschäftsfeldern sind sehr unterschiedlich und manchmal sehr gering, betonte Wolfs. Er freute sich aber besonders über die Erträge aus den Photovoltaikanlagen, die eine Rendite von 15,6 Prozent erbringen. Das trägt dazu bei, "dass wir in der Branche einzigartig sind mit der Höhe der Rückvergütung", betonte Wolf und fügte angesichts der "grundsoliden Bilanz" hinzu: "Solange wir eine Rückvergütung zahlen können, sollten wir die Dinge selbst in die Hand nehmen."

(RP)
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