Marcell Feldberg: Poetische Miniaturen Zu Den Ostertagen "Auf grauen Grund getuscht"

Kempen · IV

IV

Erlösungsgrauer Morgendunst = Eine Gegend ohne Grund. Nur ganz zögerlich bricht sich die Sonne durch die schwadenden Schleier der Luft. Eine Luft, die zu tönen scheint = Fahle sphärische Klänge von Streichinstrumenten. Aus der Ferne so etwas wie der Stundenschlag einer Kirchenglocke. Das leise Schwingen einer Melodie, die Erinnerung an ein altes Lied, unbekannt und doch vertraut zugleich - ein Orchesterstück von Matthijs Vermeulen. In diesem Interludium des niederländischen Komponisten erscheint die mittelalterliche Ostersequenz Victimae paschali laudes in einem fast pastellfarbenen Klanggewand. Nach den einleitenden Takten erklingt dieser alte Choral "Singt das Lob dem Osterlamme" vielfach getönten in Holz- und Blechbläserstimmen. Aus der Tiefe erhebt sich ein instrumentaler Gesang, der von der Verstörung der Frauen erzählt, die am Ostermorgen das Grab von Jesus Christus offen und leer vorfinden. Aus der Tiefe erklingt aber auch die Botschaft des Engels, dass Jesus lebt. Doch dieser Gesang, der vom Sieg des Lebens über den Tod kommt alles andere als triumphal daher. Vielmehr verklingt er in den wiederkehrenden Tönen der dunstigen Luft = SCHWEBELEICHT.: Eine Musik, die einen weiten Horizont in den Blick nimmt. Ein Blick, der durch ein von Zuversicht umrahmtes Fenster auf den beinahe grenzenlosen Grund der Endlichkeit fällt. Eine Endlichkeit, über der an der Schwelle zum Verschwinden im Hintergrund ein paar Wolken schweben = Spuren einer hoffenden Gewissheit.

(RP)
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