Stadt Kempen Auf den Spuren der Reformation

Stadt Kempen · Der Kempener Historiker Dr. Hans Kaiser führte eine Besuchergruppe aus Krefeld durch die Thomasstadt.

 Der Historiker Dr. Hans Kaiser (rechts) erläutert der Besuchergruppe aus Krefeld die Ausstattung der Kempener Propsteikirche.

Der Historiker Dr. Hans Kaiser (rechts) erläutert der Besuchergruppe aus Krefeld die Ausstattung der Kempener Propsteikirche.

Foto: Wolfgang Kaiser

"Auf den Spuren der Reformation in Kempen" wandelte jetzt eine Besuchergruppe aus Krefeld. Die Gäste aus der Seidenstadt waren im Rahmen des Krefelder "Sommerkirchenprogramms" in die Thomasstadt gekommen. Das ist ein Angebot der Krefelder Cityseelsorge an jeden Interessierten, in fröhlicher und aufgeschlossener Gemeinschaft den Sommer mit schönen Erlebnissen wie Ausstellungsbesuchen, Stadtrundgängen und Fahrradtouren zu genießen. Organisiert haben das diesjährige Programm der Cityseelsorger Ulrich Hagens und Gemeindereferent Bernd Kaesmacher, der auch an dem Kempener Rundgang teilnahm. Schwerpunkt 2017: Das Jubiläum der Reformation, die 1517 mit der Bekanntgabe der 95 Thesen Martin Luthers einsetzte.

Die Führung der Krefelder Gäste hatte der Kempener Historiker Dr. Hans Kaiser übernommen. In der Propsteikirche zeigte er ihnen, warum es in Kempen bereits 1525 - 22 Jahre früher als im benachbarten Krefeld - evangelische Gläubige gab. Die Bevölkerung der aufstrebenden Stadt war für die damalige Zeit wohlhabend, gebildet und brennend interessiert an religiösen Fragen. Damals starb keiner in Kempen, ohne in seinem Testament den Bau und die Ausschmückung seiner Pfarrkirche bedacht zu haben.

Ein Beispiel sind die aufwändigen Schnitzereien, 1493 gefertigt, im Chorgestühl der Propsteikirche. Sie zählen zu dem Schönsten, was niederrheinische Schnitzkunst in spätgotischer Zeit hervorgebracht hat. Den Experten sind sie weltweit aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen bekannt. Hier sehen wir Kirchenväter, Bauern und Mönche und viele Tierdarstellungen. Diese Figuren zeigen rheinischen Witz und überliefern uns Sprichwörter und Fabeln des Mittelalters. Wie die vom Fuchs und dem Kranich, die sich gegenseitig beim Essen prellen: Der Fuchs lädt den Kranich zu Gast und serviert ihm das Mahl auf einer flachen Schüssel, wo der spitze Schnabel des Kranichs vergebens pickt. Aber: "Wie du mir, so ich dir!" Bei der Gegeneinladung des Kranichs serviert dieser das Essen in einer Korbflasche. Diesmal geht der Fuchs leer aus. Oder wir sehen einen Fuchs in Mönchskutte, der das Brevier betet, aber er hält es verkehrt herum. Hier wird Kritik an dem damaligen Zustand der katholischen Kirche deutlich.

Aus der besonderen religiösen Ergriffenheit, die in ihrer Stadt herrschte, haben damals viele Kempener die Impulse, die der bekannte Mystiker Thomas von Kempen und Martin Luther zur Erneuerung des Glaubens verbreiteten, rasch aufgenommen. So wurde Kempen zu einem Zentrum der Reformation am Niederrhein. Erst die Vertreibung der Evangelischen ab 1608 durch den Kölner Erzbischof Ferdinand von Bayern ließ die Stadt wirtschaftlich und geistig zurückfallen und in einen mehr als zweihundertjährigen Dornröschenschlaf versinken. In Krefeld hingegen trugen die Kempener Emigranten zum Aufbau der Textilindustrie bei, so dass die Seidenstadt die benachbarte Thomasstadt in den nächsten Jahrhunderten weit überflügelte. Auch heute noch ein gutes Beispiel gegen politische Engstirnigkeit und religiöse Intoleranz.

Wer Genaueres erfahren möchte: Jeden Sonntag um 15 Uhr findet eine Kirchenführung statt.

(hk-)
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