Stadt Kempen Anfang als "Kleinkinder-Bewahranstalt"

Stadt Kempen · Aus dem Kendeldorf ist die beliebte Einrichtung an der Königstraße nicht wegzudenken: Am Sonntag, 2. Juli, feiert der katholische Kindergarten St. Raphael in St. Hubert sein 100-jähriges Bestehen.

 Der Kindergarten St. Raphael in St. Hubert im Jahre 1930: Damals war die Einrichtung noch im Marienheiom untergebracht.

Der Kindergarten St. Raphael in St. Hubert im Jahre 1930: Damals war die Einrichtung noch im Marienheiom untergebracht.

Foto: Archiv Kita St. Raphael

65 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren werden in dem modernen und großzügig angelegten Gebäude liebevoll und fachkundig betreut. Seit 2005 ist die Einrichtung ein anerkannter Bewegungskindergarten, im Jahr 2008 erfolgte die Qualifizierung zum Familienzentrum.

 Die katholische Kindertagesstätte St. Raphael heute: Die Kinder freuen sich schon auf das große Jubiläumsfest am 2. Juli.

Die katholische Kindertagesstätte St. Raphael heute: Die Kinder freuen sich schon auf das große Jubiläumsfest am 2. Juli.

Foto: Norbert Prümen

Gerade beklettern und bespielen die Kinder ausgiebig die neue Spielstation im Außengelände, die der Förderverein der Einrichtung aus Anlass des Jubiläums zum Geschenk gemacht hat. Sie buddeln auf dem Sandberg oder beobachten in ihrem Küchengarten, wie die Tomaten und Kräuter wachsen. "Der Kindergarten hat sich immer auf den Weg gemacht, da war nie eine Stagnation", sagt Leiterin Claudia Hoogen (60) beim Rückblick auf den langen Zeitraum.

Dabei waren die Anfänge vor 100 Jahren mehr als bescheiden. Im letzten Kriegsjahr 1917 war die Not groß. Die Männer waren an der Front, die Frauen versuchten, sich und ihre Kinder irgendwie über Wasser zu halten. Viele von ihnen mussten außer Haus arbeiten, etwa bei der Dörr-Gemüse-Fabrik von Kuhlendahl oder in der von der Firma Krupp angelegten Schweinemästerei im Speefeld. So berichtete es jedenfalls der Pfarrer von St. Hubertus, Theodor Bers, in seiner Bitte um Genehmigung einer neuen "Kleinkinder-Bewahranstalt" beim Düsseldorfer Regierungspräsidenten.

Stadt Kempen: Anfang als "Kleinkinder-Bewahranstalt"
Foto: Prümen Norbert

Am 22. Oktober 1917 wurde die Einrichtung im Marienheim, dem heutigen Pfarrheim, feierlich eröffnet. Die Leitung wurde dem Orden der Clemensschwestern aus Münster anvertraut, die ihren Konvent im Antonius-Hospital an der Aldekerker Straße hatten. Schwester Lorenza und eine Helferin betreuten im ersten Jahr 109 Kinder unter Bedingungen, die heute nicht mehr vorstellbar sind.

Anne Jockram erinnert sich noch ganz genau an ihren ersten Arbeitstag am 2. Januar 1961 im Marienheim "Ich war frühmorgens aus Issum angereist und musste mir erst einmal beim Organisten den Schlüssel holen, das war so ein riesiges Ding, eine Art Petrusschlüssel", erzählt sie. Dann musste die damals 20-Jährige die beiden Ölöfen anheizen, die abends wieder ausgemacht und gereinigt wurden. "Es gab zwei Räume, eine schmale Veranda und einen Hof mit einem Lindenbaum und einer schweren Eisenrutsche. Die musste jeden Abend reingetragen werden." Die Toiletten waren ohne Wasserspülung, so genannte Plumsklos.

Das Spielmaterial war bescheiden, es gab Holzklötzchen, bunte Perlen, ein paar Puppen und Steckenpferdchen. Aus Verschlusskappen von Getränkeflaschen wurde Straßen und Häuser gebaut. Doch man hat auch viel gesungen, im Hof wurden Fang- und Ballspiele gespielt, bei schlechtem Wetter wurden Geschichten erzählt.

Damals sei ihr der Umzug zunächst in die ehemalige Mädchenschule auf der Königstraße und dann an den heutigen Standort geradezu "himmlisch" vorgekommen. "Das kann man alles überhaupt nicht mehr mit heute vergleichen", sagt Anne Jockram. Sie arbeitete 40 Jahre lang, bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2001 im Kindergarten St. Raphael und konnte die Entwicklung zu einer modernen Kindertagesstätte mit hohen pädagogischen Standards hautnah miterleben. Das heute genutzte Gebäude wurde 1965 auf dem 2500 Quadratmeter großen Gelände der ehemaligen Kaplanei errichtet. Bei der Einweihung am 19. Dezember 1965 gab man ihm den Namen "St. Raphael" in Erinnerung an einen Engel aus dem Alten Testament. 1973 wurde die letzte Clemensschwester, Sapientia, feierlich verabschiedet. Im Jahr 2002 erfolgte die erste Erweiterung. In den Jahren 2008/09 wurde der Kindergarten erneut umgebaut und vergrößert, um auch Kinder unter drei Jahren aufnehmen zu können. Rund eine Million Euro wurde in diesem Jahrzehnt insgesamt investiert, Geld, das größtenteils aus Mitteln der Pfarre St. Hubertus aufgebracht wurde. Die Umbauten sind eng verbunden mit dem Namen der ehemaligen Pfarrsekretärin und Rendantin Ursula Orths (76), die den Kindergarten immer als "eine Herzensangelegenheit" angesehen hat und im "nächsten Leben Architektin wird", wie sie schmunzelnd berichtet.

Zehn Erzieherinnen betreuen aktuell die Kinder, hinzu kommen eine Hauswirtschaftskraft und Hausmeister Norbert Janßen. Zweidrittel aller Kinder verbringt die maximal buchbare Zeit, 45 Stunden wöchentlich, in der Kita. "Die große Mehrheit der Eltern ist berufstätig," erzählt Claudia Hoogen. 18 Kinder sind unter drei Jahre alt und müssen besonders intensiv betreut werden. Für sie stehen Wickel- und Schlafräume zur Verfügung.

Die Trägerschaft der Einrichtung ging im Jahr 2010 an den Kirchengemeindeverband Kempen/Tönisvorst über. Zum 1. Januar dieses Jahres erfolgte die Eingliederung in die katholische Horizonte GmbH mit Sitz in Viersen. Gerade befindet sie sich auf dem Weg, um ein spezielles Gütesiegel für katholische Kindergärten zu erlangen, erzählt Horizonte-Geschäftsführerin Hildegard Trosky-Michalek.

(evs)
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