Serie Vor 160 Jahren Als die Kempener Burg der Stadt gehörte

Stadt Kempen · 1858 ging die ehemalige kurkölnische Landesburg erstmals in den Besitz der Stadt Kempen über. Sie war zuvor ausgebrannt.

 Die Kempener Burg um 1890: Damals war dort das Gymnasium Thomaeum untergebracht.

Die Kempener Burg um 1890: Damals war dort das Gymnasium Thomaeum untergebracht.

Foto: Nachlass Karl Wolters

Kempen Mit Beginn des Jahres 1858 wurde die Stadt Kempen Eigentümerin der ehemaligen kurkölnischen Landesburg Kempen - jedenfalls von dem, was von ihr nach einem schweren Brand im Juli 1851 übrig geblieben war.

Rund 450 Jahre war das bedeutende Baudenkmal damals alt. Bis zur Beseitigung der alten Ordnung durch die Franzosen war es der Sitz des Amtmannes, des unmittelbaren Vertreters des Kurfürsten von Köln, gewesen. 1807 ging sie in Privatbesitz über. Neuer Eigentümer war der Krefelder Seidenfabrikant Peter von Loewenich, der sich auch gleich an eine Umgestaltung machte, indem er die Verbindung zwischen Nord- und Ostturm abreißen ließ und so den einstmals geschlossenen Innenhof beseitigte.

 Die Burg befindet sich heute im Besitz des Kreises Viersen.

Die Burg befindet sich heute im Besitz des Kreises Viersen.

Foto: Prümen

Möglicherweise war auch in Kempen eine Nachnutzung durch eine Manufaktur beabsichtigt (wie im Schloss Neersen). Der Brand durchkreuzte dann alle Überlegungen zur künftigen Funktion der Burg. 8000 Taler hatte die Stadt Kempen den Erben Loewenich für den ausgebrannten Rest samt Areal gezahlt. Nun stand sie vor einer doppelten Herausforderung: Wiederherstellung und Nutzungsentscheidung.

Schon im Januar 1858 präsentierte der Kempener Bürgermeister seinen Plan, die Burg künftig als Gymnasialgebäude, als Bürgermeisterlokal, als Friedensgericht mit Gefängnis oder als Kreisständehaus zu nutzen. Noch im selben Jahr erlangte die alte Kempener Lateinschule den Rang eines Gymnasiums als Vollanstalt mit Abiturrecht, womit Kempen seinen Rang als Schulort für eine weite Umgebung steigerte. So wies denn alles in Richtung auf eine schulische Nutzung der Burg.

 Seit März 1893 prangt eine Thomas-Statue an der Fassade über dem Eingangstor der Burg.

Seit März 1893 prangt eine Thomas-Statue an der Fassade über dem Eingangstor der Burg.

Foto: Kreisarchiv

Der frühere Kreisarchivar Paul-Günter Schulte, der 1864 die Bau- und Nutzungsgeschichte der Burg gründlich dargestellt hat, berichtet wie für den Umbau der Burg die Entscheidung zugunsten des Kölner Baumeisters Heinrich Wiethase fiel. Der viel beschäftige Wiethase, der unter anderem auch die große Kirche St. Michael in Waldniel ("Schwalmtaldom") geschaffen hat, sollte für die Burg eine "stylgerechte gediegene Restauration" sicherstellen.

Aus welchem Geist und mit welchem denkmalpflegerischen Verantwortungsbewusstsein der gefragte Architekt ans Werk ging, erhellt aus einem von Schulte zitierten Brief an den damaligen Landrat Foerster vom 18. November 1858: "Ich hoffe von Herzen, dass die von Ihnen und einem Theile der Kempener Bürgerschaft gehegten guten Absichten für die würdige Restaurierung dieses wertvollen Denkmals von dem besten Erfolge gekrönt sein möchten, wie viele unserer alten Burgen und Schlösser in Deutschland sind in neuer Zeit mit großartigem Kostenaufwande und bei den besten Absichten verstümmelt und zu Grund gerichtet zur größten Schmach der Architekten Deutschlands gegenüber Frankreich und England, möchte diese doch eine Ausnahme machen."

Es folgte jenes Jahrzehnt, das der Burg die bis heute erhaltene neugotische Gestalt gab, wobei die eigentlichen Umbauten unter der Leitung der Bauräte Stüler und Krüger und des Kempener Bauunternehmers Franken ausgeführt wurden. Dazu Schulte im einzelnen: "Die 2,50 Meter starken Mauern wurden um rund einen Meter abgeschält, die Fenster erhielten eine Werksteinfassung, die Türme wurden auf die heutige Höhe aufgemauert. Die Kosten blieben im Wiethaseschen Rahmen von 26.000 Talern. Die feierliche Einweihung der Schule fand am 8.10.1863 statt. Sechs Klassenzimmer sowie die Wohnung des Pedells lagen zu ebener Erde. Im ersten Stock wohnte der Direktor, befanden sich das Konferenzzimmer, die Bibliothek, die Aula, der Zeichensaal und zwei Schulzimmer. (...) Schon 1863/64 war die Neuplanung und Anbindung des Bahnhofes Kempen an die Altstadt durch die Thomasstraße vollendet. Ein Teil der Vorburg musste geopfert werden. Der Abbruch erfolgte 1867 wie auch die neue Straßenziehung."

Örtliche Tradition und staatliche Erinnerungskultur fanden ihren Platz in der Burg. Eine Statue des Thomas von Kempen wurde am Eingangsportal angebracht und im inneren Tordurchgang gedachte man später der Gefallenen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71, versehen mit dem damals populären Horazzitat "Dulce et decorum est pro patria mori" (süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben).

Nicht immer sollte denkmalpflegerische Einfühlsamkeit bei der Kempener Burg obsiegen. So konnte es Landeskonservator Paul Clemen nicht verhindern, dass 1909 auf dem Gelände der westlichen Vorburg eine Turnhalle errichtet wurde. 1938 wurde sie jedoch wieder abgerissen.

(prof)
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