Stadt Kempen 33 Treppen führen bis ganz nach oben

Stadt Kempen · Heimatverein Tönisberg führte gestern beim "Tag der offenen Mühle" viele interessierte Besucher in die denkmalgeschützte Bockwindmühle. Bis 1913 wurde dort noch Korn gemahlen.

 Am Tag der offenen Mühle hatte der Heimatverein Tönisberg an der Bockwindmühle alle Hände voll zu tun.

Am Tag der offenen Mühle hatte der Heimatverein Tönisberg an der Bockwindmühle alle Hände voll zu tun.

Foto: ACHIM HÜSKES

"Das ist schon hier ein bemerkenswerter Kontrast", sagt Kurt Hamers. Der 76-Jährige aus Neukirchen-Vluyn hat mit seiner Ehefrau Gisela eine Radtour gemacht, steht gerade oben in der Bockwindmühle und sieht entfernt die Windräder wie Spargelstangen aus dem Boden sprießen. Dem Heimatverein Tönisberg ging es aber gestern darum, das Vergangene zu bewahren und zu zeigen. Am Mühlentag konnte eines der Wahrzeichen von Tönisberg ausgiebig besichtigt werden.

Ein anderes Wahrzeichen stand nur etwa 300 Meter Luftlinie davon entfernt, der ehemalige Zechenturm. Auch auf dieses Denkmal wies bei den vielen Führungen gestern nicht nur Helmut Thissen hin: Pünktlich zum "Tag der offenen Mühle" war die neueste Ausgabe der "Tönisberger Heimatblätter" fertig geworden, in dem es in einem Schwerpunkt rund um die Kohle und um den wohl bekanntesten Tönisberger Bergmann, Erwin Stahl, geht. Doch dazu später mehr.

Rund 170 Wasser-, Wind- und einst durch Pferdestärken angetriebene Rossmühlen waren gestern in NRW zur Besichtigung freigegeben. Und schon früh setzten sich auch in Tönisberg die Menschen zum Mühlenberg in Bewegung. Bis zum Nachmittag waren über 300 Kinder wie Erwachsene dort gewesen.

Monika und Herbert Brüx aus Tönisberg nutzten dabei die Gelegenheit, ihren Urlaubsfreunden aus dem Frankenland, Agathe und Hans Hübner, die Mühle zu zeigen. Besonders aufmerksam war der achtjährige Philipp aus Kempen. Er geht dort in die 3b der Astrid-Lindgren-Schule. "Und Philipp muss für den Unterricht ein Plakat mit einer Kempener Mühle entwerfen"; erklärte seine Mutter.

Bevor es mit den Erklärungen losging, gab die Organisatorin des Tages, Sonja Kaufhardt, kleine bunte Windvögel aus. Lizzi Raulf und Margret Vieregge boten spezielles Mühlenbrot mit Schmalz und Schinken an. Der süße Kuchen kam dann am Nachmittag.

Helmut Thissen ging nahezu jede halbe Stunde mit den Gruppen die insgesamt 33 Stufen bis ganz nach oben. Später half ob des Andrangs auch der Heimatvereins-Vorsitzende Peter Raulf. Thissen erinnerte an die Jahre 1802 bis 1913, als dort Roggen, Weizen und Gerste gemahlen wurde, ehe der damalige Müller Carl Rögels vom Wilmenhof stattdessen die motorangetriebene neue Mühle in Betrieb nahm. 1939 war in der Mühle ein Flugabwehr-Beobachtungsstand eingerichtet. Deshalb schlugen dort 1945 amerikanische Granaten ein. Jahrzehnte später waren es Totenkopfkäfer, die sich am Kronrad zu schaffen machten.

Mit großem Aufwand, mit Fördergeldern und mit großer Unterstützung von Stadt und Zeche wurde die Mühle, die schon 1925 unter Denkmalschutz gestellt wurde, der Nachwelt erhalten. So wurde die auf vier Steinböcken gesetzte Mühle in den Jahren 1968 bis 1973 vollkommen demontiert und anschließend mit 30 Tonnen Eichenholz wieder originalgetreu nachgebaut.

Bei einem Sturm brach 1998 ein Flügel ab. "Der Westwind wird immer stärker, die Stadt muss bald etwas tun, da das Gewicht der Mühle nicht mehr zu hundert Prozent in die Querstreben übertragen wird", meinte Peter Raulf vom Heimatverein, der sich seit der Wiederbelebung der Mühle 1998 mit um ihren Erhalt kümmert.

Die ersten noch druckfrischen neuen Heimatblätter gab gestern Annelene Kühnemund aus. Die knapp 300 Mitglieder werden diese in den nächsten Tagen erhalten. Für sechs Euro gibt es das informative Heimatbuch für Nicht-Mitglieder: in der Bäckerei Christians, bei Schreibwaren Schagen oder in der Geschäftsstelle des Heimatvereins, Helmeskamp 31. Unter anderem schreibt darin Margret Vieregge, wie das Leben in Tönisberg vor 130 Jahren aussah, Lutz Weynands über einige unangepasste Jugendliche im Dritten Reich. Mehrmals ist darin Aloys Schlütter vertreten. Er erinnert beispielsweise an das alte Tönisberger Bergmannslied, das so beginnt: "Beklagt den wakker`n Bergmann nicht, dass er das Licht nicht schaut! Die Tiefe ist sein Heimatland, die Erd` ist seine Braut..." Aber es gibt noch viele weitere interessante Fotos und Beiträge, auch in Mundart. Es geht ferner um einen Gestapo-Einsatz am Wolfsberg.

(wsc)
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