Kamp-Lintfort Wohnen statt arbeiten

Kamp-Lintfort · Der aktuelle Immobilien-Boom kommt auch der RAG Montan Immobilien entgegen. Er treibt den Umbau der riesigen Zechenareale voran.

 RP-Archivfoto: Klaus Dieker

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Auf meterdicken Betonfundamenten ruhen am Bergwerk West in Kamp-Lintfort die riesigen Elektromotoren für den Transport des Förderkorbs. Das Ensemble im Maschinenhaus der 2012 geschlossenen Zeche sorgt regelmäßig für Verzückung bei Architekten und Häuslebauern. "Hier kommen Loft-Wohnungen rein. Die Interessenten rennen uns die Bude ein", sagt Ex-Bergmann Peter Wylenzek, der heute Besucher durch die Anlage führt. Neue Eigentümer der Maschinenhalle sind die beiden Projektentwickler Thomas Krüger und Rainer Classen.

Der bundesweite Immobilienboom hilft dem Steinkohlekonzern RAG, seine gewaltigen Flächenbestände aus Altzechen auf den Markt zu bringen. Bis zu 315 Euro pro Quadratmeter plus Nebenkosten verlangt die Konzerntochter RAG Montan Immobilien inzwischen für erschlossenen Grund am einstigen Zechengelände Niederberg in Neukirchen-Vluyn - nicht gerade wenig für früheres Industriegelände in einer Kleinstadt am Rande des Ruhrgebiets auf der grünen Wiese. Aber die Kosten sind mit Ballungsraumpreisen von teils deutlich über 1000 Euro pro Quadratmeter Grund in Köln oder Düsseldorf natürlich nicht zu vergleichen. Und die oft denkmalgeschützten Zechen-Gebäude und Fördertürme, die auf Dauer stehen bleiben, geben den Neubausiedlungen besonderes Flair. 78 Grundstücke wurden 2014/15 in Neukirchen-Vluyn in kurzer Zeit verkauft, inzwischen stehen dort längst die Häuser, ein Kindergarten wurde gebaut und aktuell vermarktet die Konzerntochter das letzte Baufeld an Interessenten.

Das wünscht sich Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt auch für die Erschließung des 2012 stillgelegten Bergwerk West. Zurzeit läuft der Abschlussbetriebsplan. Landscheidt stellt sich einen Mix aus Einfamilien- und Stadthäusern, aber auch Geschosswohnungsbau vor. "Es gibt aber noch keine konkreten Planungsvorhaben der RAG Montan Immobilien", sagte Landscheidt auf RP-Anfrage. Es sei bisher nur die Baufelder definiert. "Wohnen im Grünen und in der Stadt" - unter diesem Motto könnte die Vermarktung der Grundstücke an der Friedrich-Heinrich-Allee stehen. Ob dort auch sozial geförderter Wohnraum entsteht, konnte der Bürgermeister gestern nicht beantworten. "Wir werden das aber mit der RAG diskutieren." In Städten wie Kamp-Lintfort fehlt preiswerter und öffentlich geförderter Wohnraum. "Deshalb haben wir den Bedarf an bereits an mehreren Standorten in der Stadt platziert", sagte Landscheidt. Dazu gehören das neue Rathausquartier, die Moerser Straße West und das neue Baugebiet an der Konrad-/Ecke Bertastraße.

Immobilienfachleute wie Oliver Arentz vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln warnen zwar, dass der Bauboom sich abschwächt, sobald die Zinsen wieder steigen, und Anschlussfinanzierungen teurer werden. "Dann könnte mancher, der Immobilien in nicht erstklassiger Lage später verkaufen will, eine Überraschung erleben." Doch noch scheint der Hype unaufhaltsam. Für die letzten 64 Hausgrundstücke in Neukirchen-Vluyn hätten sich 150 Interessenten beworben, schwärmt RAG-Montan-Chef Hans-Peter Noll. "Das Hausgrundstücksgeschäft läuft und läuft - es gibt noch großen Mangel an solchen Flächen." Für das Immobilienunternehmen der RAG, die nur noch zwei Steinkohlezechen betreibt, ist das Geschäft mit Häuslebauern zentral: Dort werden beim Verkauf von Zechengrund die Gewinne erwirtschaftet, die beim Verkauf an Gewerbekunden häufig fehlen. So bringen Gewerbegrundstücke für Logistikunternehmen oft nur 50 bis 80 Euro pro Quadratmeter - "weniger als ein Quadratmeter guter Teppichboden", klagt Noll. "Da wird die Luft für eine solide Entwicklung der Fläche sehr dünn."

(RP)
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