Rp-Serie Niederrhein Voller Energie Mit dem Bergbau kam auch der Strom

Kamp-Lintfort · Moers Der Siegeszug des elektrischen Stroms begann Ende des 19. Jahrhundert. Nachdem 1885 in Berlin das erste Elektrizitätswerk ans Netz gegangen war, erhielten auch die Städte des Ruhrgebietes Strom. Um 1900 überrollte diese Stromwelle den Rhein nach Westen. Das Bergwerk Rheinpreußen fing an, die werkseigenen Wohnhäuser mit Strom zu versorgen.

 Früher waren Stromableser wie Fritz Baumeister mit Stift und Block unterwegs.

Früher waren Stromableser wie Fritz Baumeister mit Stift und Block unterwegs.

Foto: pr

Moers Der Siegeszug des elektrischen Stroms begann Ende des 19. Jahrhundert. Nachdem 1885 in Berlin das erste Elektrizitätswerk ans Netz gegangen war, erhielten auch die Städte des Ruhrgebietes Strom. Um 1900 überrollte diese Stromwelle den Rhein nach Westen. Das Bergwerk Rheinpreußen fing an, die werkseigenen Wohnhäuser mit Strom zu versorgen.

Die Städte und Gemeinden am linken Niederrhein wollten auch Strom haben. Doch woher sollte das Geld kommen, um Leitungen zu verlegen, Transformatoren zu errichten und Kraftwerke zu bauen? Vier Möglichkeiten waren im Kreis Moers denkbar, um das notwendige Kapital zu beschaffen. Zum einen gab es den Vorschlag eines Ingenieurs, die öffentliche Hand solle für Stromnetz und Kraftwerke verantwortlich sein. Sie solle Kredite aufnehmen, um den Bau zu finanzieren. Über zunächst höhere Stromgebühren solle sie später tilgen. Den Politikern scheint dieses Vorgehen zu riskant gewesen zu sein, zumal sie eine schlechte Auslastung erwarteten, vor allem durch die landwirtschaftlich geprägten Teile des Kreises im Nordwesten.

"Wenn nun, wie das in ländlichen Gebieten der Fall ist, die elektrische Leistung nur in ein paar Vormittag- und Abendstunden, überdies noch hauptsächlich in den Wintermonaten, benötigt wird, so liegen die Maschinen des Elektrizitätswerks in der übrigen Zeit still, verschlingen aber trotzdem Geld für Zinsen ... und Personal", hieß es 1926 in einem Artikel. Zum anderen gab es in den ländlichen Kommunen Überlegungen, den Bau von Stromnetz und Kraftwerken über Genossenschaften zu organisieren. "Gerade in ländlichen Gemeinden gründeten sich kurz vor und kurz nach dem Ersten Weltkrieg Energie-Genossenschaften", sagt Herbert Klemisch, Mitarbeiter des Wissenschaftsladens Bonn.

Diese Überlegungen setzten den Kreis unter Zeitdruck. Er bevorzugte andere Modelle, die für ihn nicht so riskant waren. Entweder wollte er den Strom über das Bergwerk Rheinpreußen beziehen, das auch Leitungen und Transformatoren bauen sollte. Oder er wollte bei der Stromversorgung mit der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG zusammenarbeiten, die seit 1905 die Stadt Rheinberg mit "weißer Energie" versorgte. Er verhandelte 1909 und 1910. Im Oktober 1910 einigte sich der Kreis mit RWE.

In Moers gab es seither Bestrebungen, wie zuvor schon beim Gas, auch die Stromversorgung in die eigenen Hände zu nehmen. Chroniken sprechen von harten Verhandlungen mit dem RWE, mit dem die Stadt schließlich einen Stromlieferungsvertrag besiegeln konnte. In Moers startete das neue Energiezeitalter dann in der Innenstadt, wo Abnehmer erstmals im Oktober 1911 mit der weißen Energie versorgt wurden. Außerhalb der Grafenstadt erweiterte RWE das Netz am Niederrhein zügig, wobei es von 1914 bis 1918 eine Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg gab. Zuletzt erreichte der Strom die ländlichen Gemeinden, zum Beispiel Hamb bei Sonsbeck 1921. Finanziert wurde der Netzausbau über Strompreise, die doppelt so hoch lagen wie in ihrem bestehenden Netzgebiet im Ruhrgebiet.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die Verbraucher 38 Pfennig pro Kilowattstunden zu zahlen, was dem durchschnittlichen Stundenlohn eines Arbeiters entsprach. Ab Mitte der 20er Jahre waren es nur noch 19 Pfennig, als der Stromverbrauch rasant anstieg. In der Landschaft zeugen noch viele Trafohäuser mit Walmdach von diesem temporeichen Ausbau in den 20er Jahren. Dann bewegte sich der Strommarkt ein Dreiviertel-Jahrhundert wenig. Er wandelte sich erst, als 1998 der Strommarkt liberalisiert wurde. Da hatten die Moerser Stadtwerke ihr Stromangebot längst auf Stadtteile wie Meerbeck und Kapellen erweitert. Aber erst zur Jahrtausendwende wurde mit der Gründung der Enni die politisch lange angestrebte Rundumversorgung aus einer Hand Realität. Im Jahr 2000 ging der komplette Moerser Norden von RWE auf Enni über. Die ist heute bundesweit als Stromlieferant unterwegs und seit 2007 auch Stromproduzent.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort