Zuschlag für Landesgartenschau 2020 Kamp-Lintfort — eine Stadt blüht auf

Kamp-Lintfort · Seit dem die Stadt den Zuschlag für die Landesgartenschau 2020 erhalten hat, vollzieht sich der Strukturwandel in der früheren Bergbaustadt Kamp-Lintfort rasant.

 Das Gelände des stillgelegten Bergwerk West in Kamp-Lintfort (Archivfoto).

Das Gelände des stillgelegten Bergwerk West in Kamp-Lintfort (Archivfoto).

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Es war der Vormittag des 5. November 2015, als Kamp-Lintforts Kirchenglocken die frohe Botschaft verkündeten: Die Stadt hatte soeben den Zuschlag für die Landesgartenschau 2020 erhalten. Der Jubel in der ehemaligen Bergbaustadt war an diesem Tag mehr als ausgelassen.

Überzeugt hatte die Jury damals vor allem das Engagement der Bürger. Vor dem Besuch der Auswahlkommission hatten Hunderte Freiwillige etliche Bäume und Laternen in der Stadt bestrickt und Stromkästen mit floralen Motiven bemalt. Bei einem Jury-Besuch stimmte ein Chor einen eigens komponierten Song an, und rund 300 Menschen traten im Vorfeld einem Förderkreis bei und brachten ihre Ideen ein.

Die Begeisterung und Vorfreude in der Stadt ist seitdem ungebrochen. Aus dem Förderkreis ist mittlerweile ein Förderverein geworden. Etwa ein Jahr nach der Gründung engagieren sich darin derzeit rund 550 Mitglieder — Tendenz steigend. "Wir wollen die Idee der Landesgartenschau unterstützen und die ehrenamtliche Beteiligung aus der Bevölkerung in die richtigen Bahnen lenken", sagt der Vorsitzende Wolfgang Roth. Zudem konnte man die wohl prominenteste Tochter der Stadt, WDR-Moderatorin Yvonne Willicks, als Gartenschau-Botschafterin gewinnen. "Bislang sind wir sehr zufrieden mit dem, was hier auf die Beine gestellt wurde", sagt Roth.

Ende 2012 — die Ära des Kohlebergbaus endet

Der Einsatz der Bürger für ihre Stadt ist nicht selbstverständlich, aber durchaus selbsterklärend: Der Zuschlag für die Ausrichtung war Balsam für die geschundene Seele der Kamp-Lintforter. Seit der Jahrtausendwende musste die knapp 38.000 Einwohner zählende Kommune viele Rückschläge verkraften. Bis 2005 ließ Siemens dort seine Mobiltelefone produzieren, stieß die Sparte dann aber an die taiwanische Firma BenQ ab — ein Jahr später folgte die Insolvenz. Mit einem Schlag gingen 2000 Arbeitsplätze verloren.

Der nächste Nackenschlag folgte Ende 2012. Nach mehr als 100 Jahren endete die Ära des Kohlebergbaus, das Bergwerk West wurde geschlossen — 1500 Kumpel fuhren zuletzt noch ein. Ein Ende, das sich zwar lange abgezeichnet hatte, in seiner Endgültigkeit aber dann doch für viele Tränen sorgte.

Doch inzwischen herrscht wieder Aufbruchstimmung. Vermutlich auch dank des Konzepts, wie die Gartenschau in drei Jahren aussehen soll: Auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks soll ein 25 Hektar großer "Central Park" entstehen. "Wir werden ein Gelände, das 100 Jahre lang eingezäunt war, den Bürgern zurückgeben", sagte Bürgermeister Christoph Landscheidt bei der Vorstellung der Pläne.

Es wird mit 560.000 Besuchern gerechnet

Von dort aus wird sich entlang des Flüsschens Goorley ein etwa drei Kilometer langer Grüngürtel durch die Stadt ziehen, bis hin zur bedeutendsten Kulturstätte der Stadt, dem Kloster Kamp. Dort werden zusätzliche fünf Hektar als Schaugelände hergerichtet. Insgesamt kalkuliert die Stadt mit 560.000 Besuchern, die Kosten von etwa 30 Millionen Euro würden zu 80 bis 90 Prozent vom Land getragen, heißt es.

Die eigentlichen Arbeiten haben aber noch nicht begonnen — denn erst müssen die alten Zechenanlagen abgerissen und kontaminierte Böden abgetragen werden. "Die ersten Rückbauten sind allesamt erfolgreich durchgeführt", sagt Andreas Iland von der städtischen Landesgartenschau GmbH. Und auch "die Planungen für den Bahnanschluss laufen auf Hochtouren." Dieser ist enorm wichtig für die Stadt, die seit Jahren für einen eigenen Bahnhof kämpft. Aktuell sei ein Pendelverkehr auf den Gleisen der ehemaligen Grubenbahn in Richtung Moers geplant, nach der Landesgartenschau soll dann der Regelbetrieb folgen.

Denn auch das Stichwort Nachhaltigkeit wird bei den Planungen groß geschrieben. "Die Bewerbung ist von Anfang an dadurch geprägt gewesen, dass nur wenige Elemente nach der Schau zurückgebaut werden", betont Iland. "Der "Central Park" werde daher auch über das Jahr 2020 hinaus erhalten bleiben, zugleich soll dort ein neues Wohnquartier entstehen. Die seit 2009 in Kamp-Lintfort ansässige Hochschule Rhein-Waal — auch eine Einrichtung, die den fortschreitenden Strukturwandel der Stadt untermauert — erhält ein Experimentierfeld, um Forschungen zu den Themen Natur und Umwelt anstellen zu können. Und auch die Investitionen rund um das Kloster seien langfristiger Natur.

Die Stadt wächst

Der eingeleitete Imagewandel der Stadt zeigt bereits jetzt seine Wirkung: Entgegen dem Trend wächst Kamp-Lintfort. Dafür sind wahrscheinlich auch politische Entscheidungen wie die Abschaffung von Kita-Gebühren oder ein Familienrabatt auf Bauland verantwortlich. Aber die Zeiten, in denen sich die Kamp-Lintforter lieber wegduckten, wenn sie nach ihrer Herkunft gefragt wurden, scheinen vorbei zu sein.

(p-m)
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