Kamp-Lintfort Asbest-Sanierung mit Überraschungen

Kamp-Lintfort · 2000 Tonnen asbesthaltiges Material müssen aus den Bunten Riesen entfernt werden, bevor der Abriss der Hochhäuser beginnen kann. Teilweise werden die Mauern Stein für Stein abgetragen, weil auch im Mörtel Asbest steckt.

 Ein bis zu 50 Meter hohes Gebirge aus Stein: Die Häuser Markgrafenstraße Nr. 13, 15, 17 und 19 werden saniert. Die asbesthaltige Fassadenverkleidung ist größtenteils entfernt. Die schwarzen Flecken, das ist der Bitumenklebstoff, mit dem die Mineral-Dämmwolle befestigt war. Auch sie muss als Schadstoff entsorgt werden.

Ein bis zu 50 Meter hohes Gebirge aus Stein: Die Häuser Markgrafenstraße Nr. 13, 15, 17 und 19 werden saniert. Die asbesthaltige Fassadenverkleidung ist größtenteils entfernt. Die schwarzen Flecken, das ist der Bitumenklebstoff, mit dem die Mineral-Dämmwolle befestigt war. Auch sie muss als Schadstoff entsorgt werden.

Foto: Christoph Reichwein

Die erste Etappe der Asbest-Sanierung ist so gut wie geschafft. "Das Haus Markgrafenstraße 19 ist fast fertig", sagt Projektleiter Ingo Paßlick von der Firma SakostaCau. Derzeit laufen in dem Gebäude abschließende Messungen. Enthält die Luft keine Asbestfasern mehr, ist alles in Ordnung. "Dann können wir den Schwarzbereich zum Weißbereich machen."

Der Schwarzbereich, das ist dort, wo Arbeiter unter Atemschutz asbesthaltiges Material entfernen. Weil dabei Asbestfasern freigesetzt werden, ist der Bereich hermetisch abgeschlossen und nur durch eine Schleuse zu erreichen. Gearbeitet wird in Unterdruck, die Luft wird abgesaugt und gefiltert. Die Asbestfasern dürfen nicht nach draußen dringen, denn werden sie eingeatmet, können sie die Lungen schädigen und als Spätfolge zu Krebs führen.

 Besprechung auf der Baustelle: Bauleiter Andreas Giersch, Architektin Christiane Tielsch und Projektleiter Ingo Paßlick.

Besprechung auf der Baustelle: Bauleiter Andreas Giersch, Architektin Christiane Tielsch und Projektleiter Ingo Paßlick.

Foto: Christoph Reichwein

Die Düsseldorfer SakostaCau plant für die Stadt Kamp-Lintfort die Schadstoff-Sanierung an den "Bunten Riesen", die Arbeiten erledigt ein Unternehmen aus Schermbeck, die Müssmann Umweltschutz. Bauleiter Andreas Giersch rückt jeden Tag mit 17 Mann an. Der Job ist hart. Das Atmen durch die obligatorische Maske falle schwer, sagt Giersch. "Nicht jeder kann das." Alle zwei Jahre lassen sich die Arbeiter vom Arzt durchchecken. Das ist vorgeschrieben.

Seit zwei Monaten läuft die Sanierung der Bunten Riesen, bis Ende des Jahres soll sie abgeschlossen sein. Erst dann kann es an den Abriss der Hochhäuser gehen, die bis Mitte 2018 Platz für ein neues, attraktives Wohnviertel machen werden. Die städtische Architektin Christiane Tielsch ist mindestens einmal pro Woche zur Besprechung an der Baustelle. Das Rückbau- Projekt sei anspruchsvoll: "Die Innenstadtlage, die angrenzende Nachbarschaft, die Höhe der Gebäude, die Schadstoffmengen . . ." Allein 2000 Tonnen asbesthaltiges Material müssen entsorgt werden. Es wird in "Big Packs", riesige, dicht schließende Plastiksäcke verpackt, in Container verfrachtet und zum AEZ Asdonkshof gebracht. Dort wird das Material dauerhaft deponiert. "Erde drauf, fertig", sagt Giersch. Früher sei Asbest auch verbrannt worden. "Aber das hat 5000 Euro pro Tonne gekostet" - und war damit zu teuer.

Bis in die 90er Jahre war Asbest in Deutschland ein beliebtes Baumaterial, stabil, hitzebeständig, leicht zu verarbeiten. "Schon die alten Griechen kannten es als feuerfestes Material", sagt Ingo Paßlick. Bei den zwischen 1972 und 1974 gebauten Bunten Riesen steckt Asbest unter anderem in der Fassadenverkleidung, die jetzt Platte für Platte vorsichtig entfernt wird, 6000 Quadratmeter insgesamt. Asbest ist aber auch in der Spachtelmasse an Wänden und Decken der insgesamt 200 früheren Wohnungen enthalten. Dass auch der Mörtel zwischen den Porenbeton-Steinen, aus denen die Bunten Riesen gebaut wurden, zum Teil Asbest enthält, war allerdings eine unerwartete Entdeckung, die Fachleute aufhorchen ließ. "Vorher wussten wir das nicht", sagt Giersch. Die Erkenntnisse aus Kamp-Lintfort hätten Anlass zu Prüfungen auf Abriss-Baustellen in anderen Städten gegeben. Die Mauern, in denen belasteter Mörtel verwendet wurde, müssen jetzt Stein für Stein abgetragen werden. Ob dadurch der Gesamtetat für den Rückbau der Bunten Riesen überzogen wird (gut vier Millionen Euro, davon 80 Prozent Städtebau-Fördermittel), ist noch nicht raus.

(RP)
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