Kaarst Wo Nachbarschaft noch gelebt wird

Kaarst · Rund 60 Familien gehören zum Verein "An der Kapelle", der vor 30 Jahren gegründet wurde.

Peter Kaless (65) weiß, warum die Nachbarschaft der Straßen Im Kamp, An der Kapelle, Im Fenn und ein Teil der Straße Linning funktioniert: "Jeder kennt jeden, jeder tut, was er kann, und wir tragen Freud und Leid miteinander, was sicher der dörfliche Charakter von Vorst beeinflusst." 1980 wurde dieses gute Miteinander durch die Gründung eines Vereins bekräftigt, der sich kurzerhand "An der Kapelle" - gemeint ist die Antoniuskapelle - nannte. 60 Familien mit rund 100 Personen gehören dazu. "Wir wollten uns mit diesem Namen von anderen Nachbarschaften abgrenzen, außerdem finden viele unserer Aktivitäten nahe der Kapelle statt", erklärt Kaless, der als Vorsitzender den Verein seit einer "gefühlten Ewigkeit" führt. "Ein eingetragener Verein sind wir aber nicht", fügt er hinzu. "Auch kein Sozialverein oder Betreuungsdienst, sondern wir leisten praktische Hilfe in Notfällen und pflegen eine besondere Geselligkeit", ergänzt seine Frau Monika (62), die als Kassiererin fungiert.

Die beiden Ur-Vorster Schwestern Marlies Matheisen (65) und Otti Knorr (78) erinnern sich, dass es "schon immer" einen guten Draht unter den Anwohnern der drei Straßen gab. Ihr Vater ging bei Sterbefällen von Tür zu Tür und sammelte Spenden für Kränze. Nach seinem Tod 1978 übernahm Toni Nipps dieses Amt, bis 1980 eine Goldhochzeit den Anstoß zur Gründung des Vereins gab. Zum Vorstand gehören noch drei Besitzer und Peter Töller (69) als zweiter Vorsitzender.

Alle vier Jahre finden Neuwahlen statt - mit Traumergebnissen für die Vorstandsmitglieder. "Die Posten wird man so schnell nicht los", sagt Peter Kaless schmunzelnd. Zu den Aktivitäten des Vereins gehören das Aufstellen eines Altars zu Fronleichnam, das Sommerfest und das Schmücken eines selbst geschlagenen Baumes aus einem der Gärten zu Weihnachten. Am zweiten Advent findet der Weihnachtskaffee statt. "Das war früher der ,Altenkaffee' für alle ab 60", erläutert Peter Kaless. Inzwischen habe sich die Altersgrenze von selbst aufgehoben: "Wir sind ja alle so alt und versuchen, jüngere Familien zu gewinnen", sagt er. Neuzugezogene werden angesprochen, manche sind begeistert, andere nicht. Alle zwei Jahre wird - in stilechter Kleidung - das Oktoberfest der Gaststätte Haus Broicherdorf besucht. Auch die Jahreshauptversammlungen werden dort abgehalten. Das Wichtigste bleibt jedoch der persönliche Kontakt, zu dem auch Geburtstagsbesuche zählen. Der Jahresbeitrag wird für freudige und traurige Anlässe eingesetzt.

Auf einer Insel der Seligen lebe man aber nicht, denn manchmal gebe es auch Konflikte: "Aber wir konnten sie immer lösen und uns anschließend in die Augen sehen", meint Kaless. Jenseits allen technischen Fortschritts werden Einladungen noch per Hand verteilt oder per Post verschickt. "Eine Dame, die vor fünf Jahren wegzog, kommt immer noch gerne zu unseren Festen", erzählt Monika Kaless.

(NGZ)
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