Kaarst Vom Rollstuhl aus unterrichtet Heidi Seyffardt ihre Reitschüler

Kaarst · Trotz Querschnittslähmung lebt die Kaarsterin ihren Traum: Auf dem Birkenhof bei den Büttger Buscherhöfen betreibt sie einen kleinen Reitstall.

Die kurze Anfahrt fühlt sich an wie Urlaub: Von der Umgehungsstraße aus führt der schmale Weg immer weiter ins Feld, der Verkehr verklingt, Höfe und Reitställe prägen das Bild. So müssen Sommerferien sein. Am Birkenhof, einem kleinen ländlichen Anwesen aus der Zeit um 1860, deutet zunächst nichts auf einen Reitschulbetrieb hin. Im blitzblanken Innenhof sitzt Heidi Seyffardt (44), neben sich Jack-Russel-Terrier Floh, in der strahlenden Sonne. Der Blick fällt in den Stall, wo Bandit, Bienchen und Feli geputzt und gesattelt werden, und geradeaus durch die Stallgasse auf eine sattgrüne Rosskastanie. Bei einer Bank grast ein Schaf, wenige Meter weiter jagen einige Hühner hintereinander her, die Laufenten-Eltern beaufsichtigen die fünf halbstarken Jungen, die Ziege lässt es sich schmecken. Idylle pur.

Vor 15 Jahren haben sich Heidi Seyffardt und ihr aus Kaarst stammender Mann Holger Gathmann einen Traum erfüllt und den kleinen Birkenhof gekauft, anschließend jahrelang umgebaut. "Ich hatte immer Pferde und wollte meine Tiere einfach zu Hause haben", sagt Heidi Seyffardt, die für ihr Dutzend Reittiere die Offenstall-Haltung bevorzugt. Platz genug ist auf dem 12.000 Quadratmeter großen Grundstück, wo je drei bis vier Ponies auf einer Weide stehen. "Der Stall wirft nichts ab, die Ponies verdienen sich gerade mal ihr Futter", erklärt die gebürtige Krefelderin. Vor zehn Jahren begann die Pferdenärrin, die im Besitz der Trainer A-Lizenz ist, nebenerwerblich Reitunterricht zu erteilen. Im Hauptberuf war sie im Controlling eines Düsseldorfer Konzerns tätig. Bis zu ihrem Unfall 2011, der einen einjährigen Klinikaufenthalt nach sich zog. Vor zwei Jahren nahm sie, trotz mitunter extremer Schmerzen, den Reitbetrieb wieder auf. Im Zirkel wird sie dabei von Assistentin Viktoria Rose unterstützt. Die Studentin führt das aus, wozu Seyffardt körperlich nicht in der Lage ist: einer Schülerin aufs Pferd helfen, Gurte nachziehen, Hindernisse aufstellen. Den eigentlichen Unterricht aber erteilt die Chefin vom Rand des Reitplatzes aus: Maja, treib Bandit mal an." - "Jetzt durch die Bahn wechseln." "Alicia, Du musst am äußeren Bein gucken, wenn Du aufstehst." - "Im Trab einmal über die Stangen." Konzentriert erteilt Heidi Seyffardt Kommandos, korrigiert. Zwischendurch fragt sie die sechs- und siebenjährigen Mädchen Theoretisches ab: "Wie heißt die erste Phase der Reitstunde? Richtig: Lösungsphase." Die Eltern sitzen derweil beisammen, schauen zu und plauschen.

"Frau Seyffardt pflegt einen ganz liebevollen Umgang mit den Kindern. Sie hat eine immense Geduld. Ich habe noch nie erlebt, dass sie schimpft", sagt Oliver Götzen, dessen Tochter Soraja regelmäßig zum Unterricht kommt. "Hier herrscht eine besondere Atmosphäre", bestätigt Katja Winkes. Kein Wunder, dass die Mädchen, die aus Büttgen und Kaarst, Düsseldorf und Mönchengladbach herkommen, jetzt in den Ferien am liebsten jeden Tag von morgens bis abends mit den Tieren verbringen möchten. "Das wäre für mich allerdings zu anstrengend", sagt Heidi Seyffardt bedauernd, "aber sie wissen, dass sie am frühen Nachmittag herzlich willkommen sind."

(NGZ)
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