Kaarst Netzwerk will Flüchtlingen Jobs vermitteln

Kaarst · Die Kaarsterin Christine Wilsch und die gebürtige Berlinerin Linda Voß engagieren sich ehrenamtlich für das Mygrade-Netzwerk. Noch haben die beiden NRW-Koordinatorinnen jede Menge Hürden zu meistern.

Sie haben sich viel vorgenommen: Die Kaarsterin Christine Wilsch und die gebürtige Berlinerin Linda Voß engagieren sich ehrenamtlich für das Mygrade-Netzwerk für Flüchtlinge. Das in Berlin gegründete Netzwerk will dazu beitragen, Flüchtlingen berufliche Perspektiven zu eröffnen sowie Arbeitgeber und Flüchtlinge zusammen zu bringen. Wilsch und Voß sind die beiden Koordinatorinnen von Mygrade in NRW.

"Ich kenne das Gefühl, sich in einem anderen Land fremd zu fühlen", sagt Linda Voß. Die 38-Jährige, die mittlerweile in Düsseldorf wohnt, hat sechs Jahre lang in Mexiko, London, Irland und Spanien gelebt und als Online-Marketing-Managerin gearbeitet. "Es ist schwierig, sich in einem fremden Land zu integrieren." Sie weiß: Integration funktioniere vor allem über berufliche Perspektiven.

Davon ist auch Christine Wilsch überzeugt. Die 68-jährige Rentnerin, die über 40 Jahre lang als Maschinenbauingenieurin gearbeitet hat, will ihren Teil dazu beitragen, jobsuchende Flüchtlinge an Firmen zu vermitteln.

Während das Berliner Mygrade-Netwerz bereits erste Erfolge aufweisen kann - fünf Flüchtlinge fanden neue Jobs, zehn weitere wurden in Praktika vermittelt - haben die beiden NRW-Mygrade-Koordinatorinnen noch etliche Hürden zu meistern. "Jeder Schritt ist ein Kraftakt, kein lockerer Walk", umschreibt Voß die unzähligen Hindernisse. "Wir können ja nicht durch die Flüchtlingsunterkünfte laufen, um Kontakt aufzunehmen."

So werde ihr Engagement auch dadurch erschwert, dass die beruflichen Qualifikationen der Flüchtlinge kaum erfasst seien. Dabei sei sowohl die Erfassung der Sprachkenntnisse als auch der jeweiligen Qualifikationen wichtigste Basis für jede Vermittlung, so Wilsch, die seit einiger Zeit entsprechende Gespräche mit Dezernenten, Jobcentern, karitativen Einrichtungen und Flüchtlingsbetreuern führt. "Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, sonst wird Integration wieder nicht erfolgreich sein."

Weitere Schwierigkeit bei der Jobsuche von Flüchtlingen sei, dass deren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt vom Aufenthaltsstatus abhänge. Frühestens nach drei Monaten dürfen sie arbeiten und wer keine Ausbildung oder ein Studium in einem sogenannten Engpassberuf vorweisen kann, darf nur dann einen Job annehmen, wenn für diesen kein Deutscher oder anderer EU-Bürger, der Arbeit sucht, dafür infrage kommt, zählt Wilsch die Bedingungen auf. Diese Vorgaben hätten ja ihre Berechtigung, gibt sie zu. "Doch es gibt schon viele Erschütterungen, wenn man erfährt, wer, warum nicht arbeiten darf."

Ihren Optimismus lasse sie sich dadurch aber nicht nehmen. Immerhin sei der erste Anfang gemacht: Durch Kooperation mit Susanne Enkel, die bei der Stadt Kaarst für die psychosoziale Betreuung von Flüchtlingen zuständig ist, und der Caritas Neuss seien zehn Flüchtlinge ausgewählt worden, mit denen Wilsch die ersten Coachinggespräche führen wird.

Denn Mygrade hat bestimmte Kriterien, die die Flüchtlinge zu erfüllen haben: "Sie müssen die deutsche Sprache beherrschen, einen Aufenthaltstitel haben und eine qualifizierte Ausbildung nachweisen können", erklärt Wilsch. Sollten unter den Flüchtlingen geeignete Kandidaten sein, will sie diese an entsprechende Arbeitgeber vermitteln. Wilsch: "Denn ich möchte, dass Flüchtlinge Arbeit finden. Das ist im Interesse aller."

(bab)
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