Kaarst Musik und Rezitation öffnen Herzen

Kaarst · Zum Auftakt der Kirchenmusikwochen in der Auferstehungskirche gab es einen Abend, der sich mit Krieg, Folter und Verfolgung, aber auch Hoffnung, Sehnsüchten und Einsamkeit befasste. Er berührte die Zuschauer sehr.

Die Betroffenheit war unmittelbar spürbar, als Khaled Younis den Altarraum betrat. Der junge Syrer spielte seine Sitar, und im Nu war die voll besetzte Auferstehungskirche erfüllt von ungewohnten, melancholisch-orientalischen Klängen. Gebannt beobachteten die Besucher, die zum Auftakt der Kaarster Kirchenmusikwochen gekommen waren, den schüchternen, traurig und nachdenklich wirkenden Musiker, der sein Saiteninstrument fixierte und nur selten einen Blick ins Publikum wagte. Kurz zuvor hatten die Besucher seine dramatische Fluchtgeschichte gehört. Dem ehemaligen Soldaten war Untreue zum syrischen Regime vorgeworfen worden. Er kam ins Gefängnis, wurde gefoltert. Krank und gezeichnet von den furchtbaren Erlebnissen konnte er später fliehen.

Seine Geschichte ist eine von sieben, die Menschen, die von 1945 bis heute nach Kaarst geflüchtet sind, erlebt hatten und in der evangelischen Kirche vorgetragen wurden. Für die Veranstaltung hatte Dramaturgin Verena Kleist zahlreiche Gespräche mit Geflüchteten geführt und diese in Form von Briefen, Erlebnisberichten und Essays zusammengefasst.

Vorgetragen wurden die sehr persönlichen Schicksale von den beiden Schauspielern Susanna Weber und Vittorio Alfieri. Ihre empathische, aber auch eindringliche professionelle Rezitation zog die Zuhörer - darunter auch etliche Flüchtlinge, die erst seit kurzem in Kaarst leben - in ihren Bann.

Einen Abend voller intensiver, spannender Brüche hatte Kantor Wolfgang Weber, der für Konzeption und künstlerische Leitung verantwortlich zeichnet, zu Beginn angekündigt - er hielt sein Versprechen. Nach der ersten Fluchtgeschichte - einem deutschen Schicksal von 1945 - wechselte Weber, der sonst eher im Hintergrund am Cembalo spielte und das Kammerorchester dirigierte, zum Flügel. Diesem entlockte er hämmernde, eindringliche Töne, deren mal schrilles, mal zögerliches Wechselspiel die Gefühlspalette der Zuhörer musikalisch abbildete. Geschickt waren die einzelnen Musikstücke ausgewählt: Mal korrespondierten sie mit den Texten, mal waren sie ein aufwühlender Cut. So wie der beeindruckende Auftritt des Pianisten Jeremias Mamegehani, aber auch der von Kamal Mazlumi, der am persischen Instrument Santur Bachs Concerto A-Moll spielte und vom sechsköpfigen Kammerorchester begleitet wurde. Wie schön Flöte klingen kann, stellte Jana Frehn an der Altflöte unter Beweis.

Den zahlreichen Mitwirkenden war es gelungen, einen thematisch schwierigen Abend, der sich mit Krieg, Folter und Verfolgung, aber auch Hoffnung, Sehnsüchten und Einsamkeit befasste, musikalisch und dramaturgisch eindringlich zu gestalten. Zuhören könne das Gefühl der Einsamkeit von Geflüchteten nicht nehmen, aber lindern, hatte die Dramaturgin Kleist zu Beginn gesagt. Herzen und Ohren hat dieser Abend sicher geöffnet.

(BroerB)
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