XXL-Transporter in Kaarst Männer, die auf Lastwagen starren

Kaarst · Für die einen ist er bloß ein Verkehrshindernis, der Schwertransport, der seit mehreren Tagen zwischen Schiefbahn und Kaarst steht – doch für die anderen ist er der wahr gewordene Modellbau-Jungstraum.

Für die einen ist er bloß ein Verkehrshindernis, der Schwertransport, der seit mehreren Tagen zwischen Schiefbahn und Kaarst steht — doch für die anderen ist er der wahr gewordene Modellbau-Jungstraum.

Der Vorgang ließe sich nüchtern betrachten: Da sind zwei Transformatoren. Sie wiegen jeweils 485 Tonnen. Sie sollen von Mönchengladbach in einen Windpark im Emsland transportiert werden. Und nun sind sie eben unterwegs. Beziehungsweise an diesem Mittwochnachmittag stehen sie. Auf Schwertransportern zwischen Schiefbahn und Kaarst.

Doch es gibt Menschen, die sehen das ganz und gar nicht nüchtern. Es sind Menschen wie Hermann Schlosser. Schlosser ist ein Pensionär von 61 Jahren. Früher war er Soldat und interessierte sich schon damals für Technik. Die Maschinen. Die Gewehre. Die Panzer. In der der vergangenen Woche setzte er sich in sein Wohnmobil und fuhr 250 Kilometer von Rheinland-Pfalz nach Mönchengladbach. Nur um auf die Frage eine Antwort zu haben: Wie kriegen die das hin? Wie also bringt das Transportunternehmen es fertig, zwei Transformatoren, die jeweils so schwer sind wie 100 afrikanische Elefanten, von Mönchengladbach über die Straße bis in den Düsseldorfer Stadtteil Lörick zu fahren. Dort geht es auf dem Rhein weiter.

XXL-Transporter nach Kaarst
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XXL-Transport aus der Vogelperspektive

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Und nun ist eben Mittwochnachmittag und die beiden Trafos liegen auf Lkw, die auf der Neersener Straße zwischen Schiefbahn und Kaarst stehen. Die Straße ist seit Tagen gesperrt. Und Schlosser steht da eben auch, auf dem Fahrradweg, mit einer Kamera, sein Wohnmobil hat er in der Nähe geparkt, neben ihm stehen andere Schaulustige. Es ist das reinste Männerfernsehen. Hermann begleitet den Transport bis nach Düsseldorf. Er macht das nicht zum ersten Mal. Seitdem er im Ruhestand ist, hat er die Zeit, um sich Schwertransporte in ganz Deutschland anzusehen. Er hat keine bessere Erklärung dafür als "Das pure Interesse an der Technik".

Und davon gab es auf den wenigen Kilometern seit Mönchengladbach bereits eine Menge zu sehen. Von dort aus wurde je ein Trafo auf einen Anhänger mit 20 Achslinien gehoben, der nicht nur von einem Lkw gezogen, sondern auch von einem Lkw geschoben wurde. Knapp 55 Meter lang ist so ein Gespann. Fahren dürfen sie nur zwischen 22 und 6 Uhr, um den Verkehr nicht zu sehr zu behindern, aber so langsam, dass auch ein Fahrradfahrer noch mithalten kann. Doch auf der Strecke lagen einige Brücken, die die Belastung nicht ausgehalten hätten. Deshalb wurden die Trafos auf so genannte Kesselbrücken gehoben. Die Last verteilte sich dann auf 108 Meter und 44 Achslinien. Das halten die Brücken aus. Doch ein 108 Meter langes Gefährt ist nicht eben wendig und deshalb werden die Trafos auf der Neersener Straße wieder auf die kürzeren Schwertransporter umgeladen. Der eine ist schon umgeladen, der andere ist an diesem Mittwoch dran.

Und das sind eben die Momente, für die Hermann am Straßenrand steht. Sehr lange Momente. Sehr sehr lange Momente. Denn schnell geht hier nichts. Seit dem Morgen sind die Arbeiter damit beschäftigt, den Trafo mit einem Hubgerüst aus der Kesselbrücke zu manövrieren und auf den Anhänger zu setzen. Bloß nicht zu schnell, denn wenn das Ganze erst mal anfangen würde zu pendeln, nicht auszudenken.

 Hermann Schlosser hat 250 Kilometer auf sich genommen, um den Schwertransport aus der Nähe zu sehen.

Hermann Schlosser hat 250 Kilometer auf sich genommen, um den Schwertransport aus der Nähe zu sehen.

Foto: Christoph Reichwein

Und so stehen Hermann und die anderen Schaulustigen, überwiegend Männer fortgeschrittenen Alters, am Straßenrand und gucken, wie nichts passiert. Beziehungsweise wie sich der Trafo so langsam bewegt, dass es so aussieht, als würde nichts passieren. Die einen schauen sich ein Fußballspiel an, die anderen sehen ihren Goldfischen beim schwimmen zu. Und diese Männer schauen eben zu, wie andere Männer mit Maschinen Wunderwerke vollbringen. Als würde eine Modellbau-Fantasie zum Leben erweckt werden.

Kaarst: Panne bei Schwertransport
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Panne bei Schwertransport durch Kaarst

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Die einzige Frau zwischen all den Maschinen ist die Chefin des Transportunternehmens, die sich weniger für die Technik interessiert als dafür, dass es endlich weitergeht. Doch jetzt kriegen die Arbeiter einen Bolzen nicht raus, der aber unbedingt heraus muss. Männer hämmern auf Metall, andere Männer finden das interessant, und die einzige Frau — man tut ihr nicht Unrecht mit der Vermutung — denkt nur: Könnten die jetzt mal fertig werden?

Am Abend, gegen 22 Uhr, soll die nächste Folge des Männerfernsehens übertragen werden. Dann setzen sich die Lkw in Bewegung, queren die Autobahn über die Auffahrt Kaarst-Nord und biegen dann Richtung Rhein ab. Noch drei Nächte, so lautet der Plan — dann ist das Zwischenziel erreicht. Und Hermann Schlosser, der schon in der vergangenen Nacht bis halb sechs auf den Beinen war, wird sich heute Nacht eine schöne Stelle suchen, von der aus er den Transport gut beobachten kann. Sein Frau hat ihm noch bis Ende der Woche freigegeben.

(seda)
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