Kaarst Fünfer-Bündnis wahrt seine Chancen

Kaarst · Vorerst ist die Möglichkeit für das Fünfer-Bündnis vertan, den Bürgermeister in Kaarst zu stellen. Aber auch die neue CDU-Bürgermeisterin Ulrike Nienhaus wird deren Hilfe brauchen, um Politik zu machen. Denn die CDU hat keine eigene Mehrheit.

Christian Gaumitz hat es nicht geschafft, die CDU-Herrschaft im Bürgermeisteramt zu beenden. Aber ist er deswegen auch gescheitert? Bei einer Zustimmung von knapp über 45 Prozent kann man das gewiss nicht behaupten. Mit rund 50 Prozent Wahlbeteiligung steht Kaarst zwar im Vergleich zu anderen Städten deutlich besser da, aber trotzdem: Da ist noch viel Luft nach oben und somit Grund genug für alle Lokalpolitiker, darüber nachzudenken, warum nicht mehr Bürger zum Urnengang zu bewegen sind. Die Auswirkungen dieser Wahlunlust dürften am ehesten Gegenkandidat Gaumitz (Grüne) getroffen haben - traditionell gehört das Wählen nämlich für CDU-Wähler zur Bürgerpflicht. Wie also wo welche Wähler nicht aktiviert werden konnten, wird die Parteien in den nächsten Tagen ebenso beschäftigen müssen wie die Frage: Wie geht es in Kaarst weiter?

An den politischen Verhältnissen im Rat hat sich nämlich nichts geändert. Das Fünfer-Bündnis aus SPD, Grüne, FDP, Zentrum und UWG will weitermachen wie bisher, die CDU stellt zwar den Bürgermeister, aber muss sich dennoch die Mehrheit immer wieder neu besorgen. Ob das klappt, die Chemie zwischen diesen beiden Lagern besser wird, hängt vor allem von der neuen Bürgermeisterin ab. Ulrike Nienhaus ist politisch gewissermaßen ein unbeschriebenes Blatt, hat mit den bisherigen Querelen wenig zu tun gehabt und nun die große Chance, mit diesem Bonus der Unbelasteten neue Töne anzuschlagen.

Dafür muss sie sich allerdings hinter den Kulissen von ihrer eigenen Partei emanzipieren. Von CDU-Chef Lars Christoph zum Beispiel als Strippenzieher und immer wieder als Scharfmacher. Das könnte ihr dann auch zu notwendigen Mehrheiten verhelfen. So muss Nienhaus versuchen, das eine oder andere auch mit Hilfe anderer Ratsmitglieder oder gleich mit dem ganzen Fünfer-Bündnisses durchzusetzen. Dieses geht denn auch keineswegs geschwächt aus der Wahl hervor. Das 21-Punkte-Programm war die Grundlage für die Kooperation, die seit einem Jahr erstaunlich reibungslos funktioniert, weil mit Christian Gaumitz "ein kluger Kopf und erfahrener Politiker", wie FDP-Chef Heinrich Thywissen ihn (nach der Wahl) charakterisiert, an der Spitze steht. Und das soll so bleiben, beteuert er. Was den Grünen-Politiker letzten Endes Stimmen gekostet haben könnte, ist seine jugendliche Erscheinung. Die mag manchen bewogen haben, sie an die erste Stelle seiner Wahlüberlegungen zu setzen.

36 Jahre alt ist Christian Gaumitz jetzt. Und genau darin liegt auch seine Chance. Wenn er es schafft, das Bündnis weiterhin zielorientiert, sachlich und öffentlich präsent zu führen, hat er in fünf Jahren vielleicht noch bessere Chancen, das Bürgermeisteramt zu gewinnen. Selbst wenn Ulrike Nienhaus sich etabliert und mit dem Amtsbonus rechnen kann - sie wäre dann 64 Jahre alt, Christian Gaumitz 41. Neuss hat gerade mit dem sensationellen Ergebnis des SPD-Kandidaten Reiner Breuer gezeigt, was rauskommen kann, wenn zwei Generationen zur Wahl stehen. Und wenn Nienhaus nicht wieder antritt? Wer könnte dann für die CDU aufgestellt werden? Lars Christoph hätte sicher immer noch Ambitionen, ist aber derzeit zu sehr unter Beschuss, um von seiner Partei ernsthaft ins Kalkül gezogen zu werden.

Das mag ja alles Schnee von morgen sein, gleichwohl werden in den nächsten fünf Jahren die Weichen für Kaarst gestellt: Weitermachen wie bisher oder Neues erfinden. Gaumitz und das Fünfer-Bündnis haben da einen ersten großen Schritt getan und gezeigt, was auch möglich ist: Dass sich fünf, nicht gerade als kompatibel geltende Parteien und Vereinigungen an Sachthemen orientiert zusammenschließen. Gaumitz kann sich also - bei aller persönlichen Enttäuschung - gelassen zurücklehnen: "Die Herausforderungen haben andere."

(hbm)
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