Kaarst Experte stellt Konverter-Notwendigkeit in Frage

Kaarst · Bürgerinitiative lädt Autor des Buches "Integration von erneuerbarem Strom" zum Vortrag ein.

Die Initiative "Kein Doppelkonverter in Kaarst und Neuss" hatte jetzt mit Professor Lorenz Jarass einen Experten eingeladen. Der Wissenschaftler, der mit seiner Frau Anna Jarass das Buch "Integration von erneuerbarem Strom" geschrieben hatte, stellte gleich zu Beginn seines Vortrags in der Rathausgalerie fest, dass der Konverter nicht erforderlich sei - eine These, die er ausführlich begründete.

Genauer gesagt, sei der Konverter nicht erforderlich, um den Strom aus Windenergie weiter nach Süddeutschland zu leiten. Der Betriebswirtschaftler, der außerdem in Kalifornien Ingenieurwesen studiert hat, jonglierte mit Zahlen: "Im Jahre 2050 soll nur halb so viel Energie verbraucht werden wie in 2008 - ich habe da so meine Zweifel." Photovoltaik werde ab 2025 nur noch geringe Zuwächse zu verzeichnen haben, die Bedeutung der Windenergie werde dagegen zunehmen.

Der Professor, Jahrgang 1951, erklärte, der geplante Netzausbau diene überwiegend dem Kohlestrom-Export und werde nicht für die erneuerbaren Energien benötigt. Es sei falsch zu behaupten, der Netzausbau diene der Absicherung der Stromversorgung von Süddeutschland bei so genannter Dunkelflaute. Dieser Begriff beschreibt das Fehlen von Sonnenlicht und Wind. Die konventionellen Kraftwerke hätten einen Rechtsanspruch auf eine gesicherte Einspeisung, was zu Lasten der erneuerbaren Energien gehe. Jarass sprach von Stromüberschüssen, die mitunter zum Nulltarif Ländern wie Österreich und Italien zur Verfügung gestellt werden - fehle dann bei uns Strom, werde er für teures Geld zurückgekauft. "Das kann doch alles nicht wahr sein", entrüsteten sich die Zuhörer.

Erforderlich seien eigentlich schnell regulierbare Gaskraftwerke - eines war vor vier Jahren in Darmstadt für 85 Millionen Euro errichtet worden. "Es hatte bis jetzt elf Betriebsstunden und ist damit total unwirtschaftlich", erklärte Jarass. Was er beklagte: "Bislang wurde gar nicht untersucht, welcher Netzausbau ausschließlich zur Einspeisung von Ökostrom erforderlich wäre." Und er zeigte eine Alternative auf: "Man könnte den Windstrom von der Nordsee mit starken Gleichstromleitungen nach Süddeutschland leiten."

"Welche Gefahr geht für unsere Bevölkerung von einem Konverter aus? Wir haben Angst vor dem Teil", erklärte die stellvertretende Bürgermeisterin Uschi Baum. "Diese Frage kann ich leider nicht beantworten", räumte der Experte ein und fügte hinzu: "Wenn Sie fünf Fachleute befragen, werden Sie fünf unterschiedliche Meinungen hören."

Gaskraftwerke, die schnell zugeschaltet werden, wenn die Sonne nicht scheint und sich kein Lüftchen rührt, kosteten nur ein Sechstel dessen, was für ein Kohlekraftwerk bezahlt werden muss, sagte Jarras. Dass die Betriebskosten höher sind, falle nicht ins Gewicht, weil diese Zusatzleistung nur selten gebraucht werde. Jarass sah auch für die Zukunft eher Stromüberschüsse als Versorgungsengpässe. So könne es sein, dass die Elektroheizung eine Renaissance erlebe.

(NGZ)
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