Kaarst Als Ehrenamtler Zeit und Energie nutzen

Kaarst · Reinhard Sitzler führt seit 18 Jahren ehrenamtlich Besucher durch das Museum Tuppenhof. Nach seiner Pensionierung tauchte der Ingenieur in den bäuerlichen Alltag des 19. Jahrhunderts ein. Das Museum sucht mehr Menschen wie ihn.

Reinhard Sitzler (84) ist ein Urgestein des Tuppenhofs. 1999 wurde der Vierkanthof aus dem 19. Jahrhundert zu Museum und Begegnungsstätte für bäuerliche Geschichte und Kultur - und seitdem ist Sitzler dort als Museumsführer aktiv. "Ich war damals schon in Rente und wollte meine Zeit und Energie sinnvoll nutzen", erinnert er sich. "Als Ingenieur für Forschung und Entwicklung verlief mein berufliches Leben eher kopfgesteuert. Ein Museumsführer in einer bäuerlichen Welt bildete dazu den totalen Gegensatz", erzählt er. In einem Seminar sei er für seine Aufgabe fit gemacht worden. "Ich erfuhr alles über die Geschichte und Entstehung des Tuppenhofs in zehn Bauabschnitten und über die wirtschaftliche Basis, die er der Erwerbsfamilie bot", so Sitzler.

Seine Führungen dauern mindestens eine Stunde, "wenn man mich lässt, auch gern anderthalb oder zwei", gibt er schmunzelnd zu. Auch den Bauerngarten bezieht er mit ein. "Mir ist wichtig, dass sich die Leute wohlfühlen. Ein Dozent möchte ich nicht sein", erklärt Sitzler. Getreu dem Motto "Was weißt du und wie wenig wissen die anderen" hält er seine Vorträge frei, wodurch sich oft ein Gespräch mit den Interessierten ergibt. Das ist ihm wichtig, denn schließlich sei der Tuppenhof kein gewöhnliches Museum, sondern eine Begegnungsstätte, betont Sitzler: "Man kann mit den Leuten reden!" Fachwissen sei vonnöten, aber ein mit Anekdoten gespickter Vortrag fessele nach seinen Erfahrungen die Zuhörer immer ungemein.

Besonders beliebt sei die Geschichte einer an Viehseuche erkrankten Kuh. Deren in einer Grube versenktes Skelett rufe bei der Besichtigung gleichwohl Ekel wie Faszination hervor. Verblüffend sei die Reaktion einer Besucherin auf den Hinweis eines um 1800 üblichen Ehevertrages gewesen, der der Witwe einen Platz am Feuer und einen Fuder Flachs zusicherte. "So positiv hätte mein Mann das nie gesehen", war ihr spontaner Ausruf. Ehrenamtler Sitzler hilft auch an den Wochenenden bei der Ausgabe von Kaffee und Kuchen, denn schließlich sei der Tuppenhof etwas für "Leib, Seele und Verstand", so seine Zusammenfassung.

Die ehrenamtliche Tätigkeit befriedige ihn sehr und es gebe gute private Kontakte mit seinen sieben 'Kollegen'. "Wir sind wie eine große Familie und alle per du. Eine 'Rangordnung' haben wir nicht", erklärt Sitzler. Ein Mal im Jahr gibt es als Dankeschön einen Ausflug zu einem anderen Museum plus Umtrunk und ein Grillfest auf dem Hof. Die Einsätze der Museumsführer erfolgen nach einem Plan, so dass immer zwei Ansprechpartner für geplante und spontane Besichtigungen bereit stehen.

"Da das Durchschnittsalter jenseits der sechzig ist, suchen wir jetzt dringend Interessierte", sagt Jürgen Rau, Geschäftsführer des Tuppenhofs. Reinhard Sitzler will jedenfalls so lange als Museumsführer aktiv bleiben, "wie der da oben das zulässt", sagt er mit Blick zum Himmel.

(NGZ)
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