Jüchen SPD lehnt Gemeindeetat plötzlich ab

Jüchen · Mit einer überraschenden Kehrtwende konfrontierten die Sozialdemokraten den Rat, der aber dem Haushalt 2018 zustimmte. Die NRW-Heimatministerin gratuliert Jüchen zur Stadtwerdung, die SPD sieht aber eine düstere Zukunft.

 Der Jüchener Gemeinderat gestern Abend vor der Haushaltsverabschiedung mit der überraschenden Ablehnung durch die SPD-Fraktion (rechte Seite).

Der Jüchener Gemeinderat gestern Abend vor der Haushaltsverabschiedung mit der überraschenden Ablehnung durch die SPD-Fraktion (rechte Seite).

Foto: Gundhild Tillmanns

Für eine Überraschung sorgte gestern Abend die SPD-Fraktion bei der Haushaltsverabschiedung für 2018 mit ihrer Ablehnung. Dem Gemeindetat wurde zwar gegen die zehn Nein-Stimmen der Sozialdemokraten von allen anderen Ratsfraktionen zugestimmt. Die SPD hatte allerdings zuvor im Hauptausschuss in den abschließenden Beratungen dem Haushalt 2018 noch zugestimmt: Allerdings waren in der für Jüchener Verhältnisse ungewöhnlich langen Hauptausschusssitzung im November auch alle Anträge der Sozialdemokraten zum Haushalt 2018 abgelehnt worden.

Mit den Stimmen von CDU, FDP, Grünen, FWG und SöWa (der Ratsherr der Linken fehlte krankheitsbedingt) wurde gestern Abend beschlossen, dass Jüchen im nächsten Jahr knapp 51,6 Millionen Euro ausgeben darf. Die Gemeinde hat auf der anderen Seite mit Erträgen in Höhe von knapp 49 Millionen Euro zu rechnen. Mit einem zusätzlichen Minus von 2,7 Millionen Euro geht Jüchen somit ins nächste Jahr.

Kredite in Höhe von knapp 3,3 Millionen Euro müssen im nächsten Jahr für die von der Gemeinde geplanten Investitionen neu aufgenommen werden. Investiert wird unter anderem in zusätzliche Kindergartenplätze und ein neues Feuerwehrgerätehaus in Hochneukirch. In der Kreditsumme sind allerdings auch knapp 149.000 Euro für das Programm "Gute Schule 2020" enthalten, die vom Land zurückgezahlt werden sollen.

Als Einstimmung auf die Haushaltsreden der Fraktionssprecher lag übrigens ein brandaktuelles Schreiben der NRW-Ministerin Ina Scharrenbach auf den Tischen. Darin bestätigt sie dem Bürgermeister, dass die Gemeinde Jüchen mit Wirkung vom 1. Januar 2019 zur mittleren kreisangehörigen Stadt bestimmt wird. Die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung schreibt Harald Zillikens: "Damit haben Sie die Möglichkeit, Ihre Heimat noch bürgernäher und bürgerfreundlicher zu gestalten. Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen bei der Erfüllung der neuen Aufgaben und für die Zukunft der Stadt Jüchen."

Indes malte SPD-Fraktionsvorsitzender Holger Witting gestern Abend in seiner Haushaltsrede ein düsteres Bild für Jüchens Zukunft. Er sprach von einer "Geisterstunde", von dem "Schreckgespenst" der Haushaltssicherung: Mit mehr als 50 Millionen Euro Schulden - das sei eine Pro-Kopf-Verschuldung von 2000 Euro - gehe Jüchen ins nächste Jahr.

Später musste sich Witting jedoch auf Nachfrage des CDU-Fraktionsvorsitzenden Norbert Esser korrigieren lassen. Kämmerin Annette Gratz bestätigte, Wittings Schuldenprognose basiere auf einer falschen Zahl. Tatsächlich werde das Jahr 2017 sogar mit einer Verbesserung von zwei Millionen Euro abgeschlossen. Thomas Dederichs, der als Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen unmittelbar nach der überraschenden Eröffnung und Kehrtwende der SPD mit seiner Haushaltsrede an die Reihe kam, sprach von seiner "Verwirrung". Die plötzliche Ablehnung des Haushaltes durch die Sozialdemokraten verwirre ihn umso mehr, als deren Fraktionsvorsitzender in seiner Rede keinen einzigen Einsparvorschlag gemacht habe, wie denn das von Witting monierte strukturelle Haushaltsdefizit zu beseitigen sei. Denn Witting hatte zuvor tatsächlich der Verwaltung und den übrigen Ratsfraktionen den Vorwurf gemacht, sie hätten nichts dafür getan, ebendieses strukturelle Defizit auszumerzen.

Einige verbale "Prügel" bekamen die Sozialdemokraten noch, bevor über den Haushalt 2018 abgestimmt wurde. Unverständnis und Befremden äußerten mehrere Fraktionssprecher über die Kehrtwende, die die SPD zwischen der Hauptausschusssitzung im November und der gestrigen Ratssitzung vollzogen habe. CDU-Chef Norbert Esser merkte süffisant an: "Wir stellen als CDU-Fraktion bei der SPD eine gewisse intellektuelle Unschlüssigkeit fest. Wenn sie nichts einsparen wollen, wie wollen sie dann die Einnahmen für den Gemeindehaushalt verbessern", fragte er die SPD.

(NGZ)
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